Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

96 Zweiter Abschnitt. (8. 21.) 
II. Es erwerben das Bürgerrecht: 
1) von selbst die Mitglieder des Magistrats sowie die im Dienste der Stadt dauernd 
und ohne Vorbehalt der Kündigung Angestellten!; 
2) durch besondere Verleihung auf Gemeindebeschluße Lalle übrigen, und zwar sind 
zum Erwerbe berechtigt alle unbescholtenen Einwohner der Stadts, verpflichtet dagegen — 
und dies bezieht sich auch auf Frauenspersonen — nur diejenigen Einwohner", welche 
a) im Stadtbezirke ein Wohnhaus eigentümlich erwerben? — das Ortsstatut kann die 
Verpflichtung auf den Erwerb von Wohnhäusern zu einem bestimmten Werte beschränken, 
oder auf den Erwerb anderer Grundstücke ausdehnen, sowie auch auswärtige Besitzer 
eines Wohnhauses zum Erwerbe des Bürgerrechts verpflichten. Von mehreren Mit- 
eigentümern eines Hauses braucht nur einer das Bürgerrecht zu gewinnen; — 
b) sich zur selbständigen Ausübung einer Kunst oder Wissenschaft im Stadtbezirke 
dauernd niedergelassen haben; 
Jc) drei Jahre hindurch ein Gewerbe im Stadtbezirke betrieben haben — durch 
Ortsstatut können jedoch gewisse Klassen von Gewerbetreibenden von dieser Verpflichtung 
befreit werden. Mehrere Teilnehmer einer Handlung oder eines Gewerbeunternehmens, 
welche in der Stadt wohnen, müssen (im Gegensatz zu mehreren Miteigentümern eines 
Hauses) sämtlich Bürger werden. Für gewerbliche Gesellschaften mit juristischer Persönlich= 
keit hat der zu bestellende verantwortliche Geschäfts= oder Werkführer das Bürgerrecht 
zu erwerben.7 
Für die Gewinnung des Bürgerrechts ist, abgesehen von einigen Ausnahmen", eine 
Gebühr (Bürgergewinngeld) an die Stadtkasse zu entrichten. Das Ortsstatut hat die 
Höhe derselben festzusetzen und kann auch weitere Freilassungen sowie Ermäßigungen 
in einzelnen Fällen vorsehen. 
Alle männlichen Bürger haben vor dem Magistrate persönlich oder im Falle ihrer 
Abwesenheit durch einen öffentlich beglaubigten schriftlichen Revers den Bürgereid dahin 
zu leisten, daß sie die ihnen nach den Gesetzen und der Stadtverfassung obliegenden 
  
1 St. O., §§. 21, Abs. 1; 22, Z. 1. begründet.“ Auch können die Behörden jemand 
2 8. 97, Z. 10 der St. O. bestimmt ganz zum Erwerbe des Bürgerrechts nur so lange 
allgemein, daß die Bürgervorsteher vom Magi= zwingen, als das Moment, welches die Ver- 
strate bei Entscheidungen über Verleihung und pflichtung begründete, bei ihm vorhanden ist. 
Versagung des Bürgerrechts zuzuziehen sind. „JNicht die einmal zu irgend einem Zeitpunkte 
Es haben also stets beide Kollegien mitzuwirken. stattgehabte Erwerbung eines Wohnhauses reicht 
Auch ist es unzulässig, eine gemeinschaftliche ge= aus, um den Erwerber — vielleicht noch 30 Jahre 
mischte Kommission einzusetzen und dieser die lang nach der Veräußerung des Grundstücks — 
Beschlußfassung über die Vgleipun uns des Bürger= zur Gewinnung des Bürgerrechts anhalten zu 
rechts zu übertragen. O. V. G., XXIV, S. 38. können; vielmehr muß der Beteiligte dann, 
2 St. O., 8. 26. wenn ihm das Bürgerrecht verliehen werden 
* Auch diese zum Erwerbe des Bürgerrechts soll, im Besitze des Wohnhauses sein.“ O. V. G., 
verpflichteten Personen erwerben das Bürger- XIV, S. 34, 36. 
recht nicht ipso jure mit dem Erwerbe des * St. O., §§. 22, Z. 2; 24, Abs. 1; 25, 
Wohnhauses, der dauernden Niederlassung u. s. w.; Abs. 1. Die Verpflichtung des das Grundstück 
das Recht muß auch ihnen erst verliehen werrErwerbenden zu demnächstiger Gewinnung des 
den. „Dies kann auf den Antrag des Erwer-- Bürgerrechts und damit zusammenhängender 
bers geschehen; ein solcher reicht aber nicht ein= Zahlung der Bürgergewinngelder ist nach der 
mal unter allen Umständen aus; die städtischen St. O. bann. eine Folge des Grundstücks- 
Behörden sind befugt, die Verleihung zu ver= erwerbes, nicht eine Voraussetzung desselben; 
sagen: aaus der Verpflichtung zum Erwerbe des sie steht daher dem durch §. 1 des Freizügig- 
B rgerrechts allein kann ein Recht auf dessen keitsgesetzes v. 1. Nov. 1867 gewährleisteten 
Erteilung nicht abgeleitet werden? (§. 27 St. O.). Rechte der örtlich unbeschränkten Erwerbung 
Unterbleibt der Antrag auf Verleihung, so hängt von Grundeigentum nicht entgegen. O. B. G., 
die Entscheidung, ob der Erwerber des Grund-= XV, S. 23. 
stücks zur Gewinnung des Bürgerrechts ge- “ Andere juristische Personen sind zum Er- 
zwungen werden soll, von der Entschließung werbe des Bürgerrechts nicht verpflichtet. 
der Behörden ab; sie können die Sache auf 7 St. O., §§. 22, 24, Abs. 2 u. §. 25, Abs. 2 
sich beruhen lassen; in diesem Falle entstebt fürtu. 3. 
den Beteiligten irgend eine Verpflichtung über- * St. O., §. 28. Nach Art. 13 der R. Gew. O. 
baupt nicht; sie können aber auch beschließen, sind auch die unter c bezeichneten, zum Erwerbe 
das nicht beantragte Bürgerrecht zu verleihen, des Bürgerrechts verpflichteten Gewerbtreiben- 
und dann wird für den Beteiligten eine den befreit. 
Verpflichtung, das Bürgerrecht anzunehmen, 
 
	        
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