Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 64.) 247 
des §. 123 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung v. 30. Juli 1883 ein- 
legen. Die Erteilung der Genehmigung kann entweder ohne Zeitbeschränkung oder auf 
eine von vornherein zu bestimmende Frist, nicht aber auf Widerruf erfolgen.1 
In gewissen Fällen, nämlich in den zu f und h bezeichneten ?, zur Erhebung von 
mehr als 100 Prozent Zuschlägen zur Einkommensteuer (g)8, zur Abweichung von den 
Steuerverteilungsregeln (d)" und zur Abweichung von dem gesetzlich zulässigen Modus 
der Unterverteilung (e)) — bedarf es außer der Genehmigung des Bezirks= bezw. Kreis- 
ausschusses noch der Zustimmung der Minister des Innern und der Finanzen. Diese 
soll die einheitliche Handhabung des Gesetzes sichern, sie ersetzt nicht die Genehmigung 
der Bezirks= bezw. Kreisbehörde, sondern hat diese zur Voraussetzung. Erst nachdem 
der betreffende Gemeindebeschluß auf Grund sachlicher Prüfung von den unteren Auf- 
sichtsbehörden genehmigt ist, kann die Zustimmung zu dieser Genehmigung von 
der Ministerialinstanz erteilt werden; wird einem Gemeindebeschluß schon die Genehmigung 
versagt, so kann die Zustimmung der Minister überhaupt nicht in Frage kommen.“ 
Die Minister können die Befugnis zur Erteilung der Zustimmung auf die ihnen 
untergeordneten Aufsichtsbehörden höherer Instanz, d. h. bezüglich der Städte auf die 
Oberpräsidenten, bezüglich der Landgemeinden auf die Regierungspräsidenten übertragen.7 
2) Die zweite Form, in welcher die Staatsaufsicht ausgeübt wird, ist die Anord- 
nung. Sie hat den Zweck, einen den Vorschriften des Gesetzes widersprechenden be- 
stehenden Zustand zu beseitigen und einen ihnen entsprechenden herbeizuführen. Sie stellt 
sich var als ein positives Eingreifen in die gemeindliche Selbstverwaltung. 
Voraussetzung für eine solche Anordnung ist, entweder 
a) daß beim Inkrafttreten des Kommüunalabgabengesetzes in einer Gemeinde eine 
seinen Vorschriften zuwiderlaufende Ordnung (Regulativ, Statut, Beschluß, Observanz 
u. s. w.) über die Aufbringung der Gemeindeabgaben (Gebühren, Beiträge, direkte und 
indirekte Steuern und Dienste) bestanden hat, oder 
b) daß nach diesem Zeitpunkte ein derartiger den Vorschriften des Gesetzes zuwider- 
laufender Gemeindebeschluß gefaßt ist oder wird ?, oder 
c) daß althergebrachte Ordnungen, welche die Besteuerung nach Abstufung des 
Grundbesitzes regeln, wegen wesentlicher Veränderung der Besitzverhältnisse zur Grund- 
lage der Besteuerung nicht mehr geeignet sind. 0 
In den zu a und b bezeichneten Fällen kann die Aufsichtsbehörde ex 
schreiten, jedoch nur, sofern der bestehende Zustand direkt den positiven, zwingenden 
Vorschriften des Gesetzes widerspricht; es genügt nicht, daß er mit den allgemeinen 
Besteuerungsgrundsätzen, die dieser oder jener Vorschrift zu Grunde liegen oder 
sich aus ihr durch Folgerungen ergeben, nicht vereinbar oder un zweckmäßig erscheint. 1 
In dem Falle c dagegen, in welchem es sich schon an und für sich um von den gesetz- 
lichen Vorschriften abweichende Steuern, um besondere Grundsteuern handelt, genügt 
es für das Einschreiten der Aufsichtsbehörden, daß das bestehende System „nicht mehr 
geeignet“ ist; das Einschreiten darf hier aber nur auf Grund eines Antrages erfolgen, 
welcher von der Mehrheit der einer Abstufung angehörigen Steuerpflichtigen gestellt ist. 
Der Inhalt der Anordnung kann sowohl auf eine Abänderung wie auf eine Ergänzung 
officio ein- 
  
1 K. A. G., §s. 77, Abs. 1, 2 u. 4; Ausf. 
das Inkrafttreten eines das Abgabenwesen im 
Anw., Art. 46, I, II, 1 u. 3 
Widerspruch zu den Vorschriften des Gesetzes 
: K. A. G., s. 77, Abs. 3, a; S. 37, Abs. 2, u. 
g. 23, Abs. 4. 
: K. A. G., §. 77, Abs. 3, c. 
# .. 3 v 
*sK. A. G., §. 56, Abs. 3 
* Ausf. Anw., Art. 46, ĩi, 2. 
7 K. A. G., z. 77, Abf. , letzter Satz. 
6# K. A. G., §. 78; Ausf. Anw., Art. 47. 
* Es kann sich bier natürlich immer nur um 
Beschlüsse handeln, welche einer Genehmigung 
nach den unter 1 erörterten Grundsätzen nicht 
bedürfen. Ist eine solche Genehmigung erforder- 
lich, so ist durch Versagung derselben stets schon 
  
regelnden Gemeindebeschlusses zu verhindern. 
1° Wenn z. B. in Gemeinden die alten Bauern- 
stellen, die seit Alters her die Grundlage der 
Lastenverteilung bilden, durch Abverkäufe derart 
verkleinert sind, daß die Besitzer der Restgrund- 
stücke bei Beibehaltung der Abstufungen nach 
Bauern, Kossäten, Büdnern u. s. w. ungebührlich 
belastet und benachteiligt würden. Komm. Ber. 
des A. H., S. 109; auch Stenogr. Ber. des 
A. H., S. 2172. 
11 vgl. die Mitteilungen aus den Kammer- 
verhandlungen bei Nöll, S. 240 ff., Anm. 2, 
u. S. 244, Anm. 9.
	        
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