Kommunalverwaltung und Kommunalverbände. (8. 2.) 13
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Die Kommunalverwaltung und die Kommunalverbände.]
Sind die Kommunalverbände Selbstverwaltungskörper, die in ihrer Verwaltung
lediglich Selbstverwaltung ausüben, so fragt sich, welche Begriffsmerkmale ihnen den
übrigen Selbstverwaltungskörpern gegenüber eigentümlich sind.
Die Kommunalverbände der Gemeinden im weiteren Sinne sind sämtlich absolute
Zwangsverbände, weder ihre Bildung noch die Zugehörigkeit zu ihnen hängt von
dem Willen des einzelnen ab; ihr Zweck ist die Verwirklichung solcher Staatsaufgaben,
welche sich lediglich aus dem nachbarlich räumlichen Zusammenwohnen einer Personen-
mehrheit ergeben oder doch nur lokalisiert und individualisiert eine zweckentsprechende
Lösung finden können. Die Kommunalverbände finden ihren Lebenszweck nicht in der
Erledigung einer oder einzelner bestimmter Staatsaufgaben, sondern sie sind berufen,
die a priori im einzelnen unbegrenzte und unbegrenzbare Gesamtheit von Staats-
aufgaben zu besorgen, welche einen lokalen Charakter haben. Ihr Wirkungskreis um-
faßt alles, was das Interesse ihres Bezirks „zunächst berührt und innerhalb ihrer
Grenzen durch ihre eigenen Kräfte besorgt und durchgeführt werden kann“. Ihr Wirkungs-
kreis ist nach Maßgabe ihrer jeweiligen Interessen stets einer Ausdehnung fähig, welche
gegenüber den vom Staate direkt zu verrichtenden Angelegenheiten nur in dem not-
wendig lokalen Charakter aller Kommunalgeschäfte ihre natürliche Begrenzung findet.
Durch diese nur relative Begrenzung ihres Wirkungskreises treten die
Kommunalverbände in den Gegensatz zu allen anderen Selbstverwaltungskörpern." Aber
noch in einem weiteren Punkte unterscheiden sie sich wesentlich von letzteren.
Die Kommunalverbände allein sind gleich dem Staate Gebietskörperschaften,
pelitische Gemeinwesen. Zwar sind auch andere Selbstverwaltungskörper in ihrer
Thätigkeit an ein räumlich abgegrenztes Territorium gebunden, oft bestimmt sich bei ihnen
die Mitgliedschaft, abgesehen von anderen Momenten, nach dem Aufenthalt oder dem
privatrechtlichen Besitze von Grundstücken in diesem Gebiete, niemals aber stehen sie zu
dem Gebiete selbst in direkter Beziehung, niemals üben sie über das Gebiet als solches
und über die in ihm befindlichen Personen schon wegen ihres Aufenthaltes Hoheits-
rechte aus. Nur die Kommunalverbändes ergreifen mit ihrer Herrschaft alle in ihrem
Bezirke belegenen Grundstücke schon wegen ihrer Lage und alle in ihren Bezirk getretenen
Personen schon wegen des Verweilens in demselben, ohne Rücksicht darauf, ob sie nach
ihren übrigen Eigenschaften Angehörige des Verbandes sind oder nicht. Für sie gilt
der besonders im kommunalen Finanzrechte zur Geltung gebrachte Satz „quidquid est
in territorio, est etiam de territorio“ ebenso wie für den Staat.“
Alle Momente, welche man sonst noch als Begriffsmerkmale des Kommunal=
verbandes anführt, ergeben sich entweder aus seiner Eigenschaft als Selbstverwal-
tungskörper oder sind, sofern sie mit dieser nicht vereinbar, auch für den Begriff des
Kommunalverbandes unzutreffend. Von diesem Gesichtspunkte aus ist besonders die
1 Ugl. die Litteratur zum vorigen §.
* Hänel, I. S. 142; Schulze, I, S. 446 ff.;
G. Meyer, St. R., S. 3; Rosin, in Hirths
Ann., S. 292, zu Note 3 Tert.
Über Ausnahmen im außerdeutschen Recht
vgl. Blodig, S. 29, 30, Anm. 27.
* Hänel, I, S. 142; Rosin, Recht der öffentl.
Genossensch., S. 41 ff.; G. Meyer, St. R.,
S. 298; Blodig, S. 23 u. 28 ff.; Schutlze, I,
S. 447. Gierke dagegen rechnet nicht nur den
Staat und die Gemeinden verschiedener Ord-
nung zu den „Gebietskörperschaften“, sondern
alle Verbände, welche an einen bestimmten Be-
zirk gebunden sind und bei welchen das persön-
liche Substrat mit dem Gebiet insofern in Zu-
sammenhang steht, als alle Personen, welche im
Gebiet ansässig sind, dauernd beschäftigt sind
u. s. w., dem betr. Verbande angehören. Gegen
diese Auffassung Rosin und Blobigge a. a. O.
5 UÜber die Gebietshoheit der Gemeinden,
welche ein Analogon der staatlichen Gebietshoheit
ist, vgl. Preuß, Gemeinde, Staat, Reich als
Gebietskörperschaften; Gierke, Das deutsche
Genossenschaftsrecht, II, S. 870 ff.; Rosin,
Das Recht der öffentl. Genossenschaft, §. 4, Z. 2;
Hänels Ausführungen zur Revision der Me-
thode und Grundbegriffe des Staatsrechts, im
Archiv f. öffentl. Recht, V, S. 457 — 479;
Blodig, S. 95 ff.