392 Dritter Abschnitt. (F. 109.)
Jede Wahl erfolgt in einem besonderen Wahlgange durch verschlossene Stimmzettel.1
Die Wähler werden in der Reihenfolge, in welcher sie in der Wählerliste verzeichnet
sind, aufgerufen und legen dann ihre Zettel in die Wahlurne. Die während der Wahl-
handlung erscheinenden Wähler können an der nicht geschlossenen Wahl teilnehmen. Sind
keine Stimmen mehr abzugeben, so erklärt der Wahlvorstand die Wahl für geschlossen;
der Vorsitzende nimmt die Stimmzettel einzeln aus der Urne und verliest die darauf
verzeichneten von einem Beisitzer, den der Vorsitzende ernennt, laut zu zählenden Namen.
Ungültige Stimmzettel — das sind diejenigen, welche 1) nicht von weißem Papier oder
mit einem äußeren Kennzeichen versehen sind, 2) keinen oder keinen lesbaren Namen,
3) einen Protest oder Vorbehalt enthalten, 4) die Person des Gewählten nicht unzweifel-
haft erkennen lassen, 5) mehr als einen Namen oder den Namen einer nicht wählbaren
Person enthalten — werden als nicht abgegeben betrachtet. Über die Gültigkeit der
Stimmzettel entscheidet vorläufig der Wahlvorstand; sie sind dem vom Wahlvorstande
zu unterzeichnenden Wahlprotokolle beizufügen und so lange aufzubewahren, bis über
die gegen das Wahlverfahren erhobenen Einsprüche rechtskräftig entschieden ist.
Gewählt ist derjenige, welcher die absolute Stimmenmehrheit (mehr als die Hälfte
der gültig abgegebenen Stimmen) erhalten hat. Ergiebt sich keine absolute Stimmen-
mehrheit, so kommen diejenigen zwei Personen, welche die meisten Stimmen erhalten
haben, auf die engere Wahl. Haben mehr als zwei Personen die meisten und gleich
viel Stimmen erhalten, so entscheidet das vom Vorsitzenden zu ziehende Los darüber,
wer auf die engere Wahl zu bringen ist; in gleicher Weise erfolgt die Entscheidung,
wenn auch die engere Wahl keine Stimmenmehrheit ergiebt. Der Vorsitzende hat die
Gewählten von der auf sie gefallenen Wahl mit der Aufforderung in Kenntnis zu setzen,
sich über die Annahme oder Ablehnung innerhalb fünf Tagen zu erklären. Wer diese
Erklärung nicht abgiebt, wird als ablehnend betrachtet.
IV. Die Prüfung der stattgehabten Wahlen steht dem Kreistage zu. Dieser be-
schließt über ihre Gültigkeit ex officio: oder auf Einsprüche. 3“ Letztere können inner-
halb zwei Wochen nach der Wahl von jedem Mitgliede einer Wahlversammlung bei dem
Vorsitzenden des Wahlvorstandes erhoben werden. Auf Grund des Beschlusses des Kreis-
tages steht demjenigen, der den Einspruch erhoben hatte, wie auch demjenigen, dessen
1 Wahlen, die der Kreistag selbst vornimmt,
können auch durch Akklamation stattfinden, wenn
niemand Widerspruch erhebt. — Die Stimm-
zettel müssen verschlossen, d. h. so zusammen-
gefaltet sein, daß der darauf stehende Name
verdeckt ist. Stimmzettel, bei welchen diese
äußere Form nicht gewahrt ist, hat der Wahl-
vorsteher zurückzuweisen; vgl. Art. 12, Z. 17 der
Instr. v. 10. März 1873.
: O. V. G., XII, S. 20.
Vor der Beschlußfassung sollen die Betei-
ligten gehört werden, eine Vernachlässigung
dieser Vorschrift ist jedoch kein Grund, den be-
treffenden Beschluß des Kreistages im Verwal-
tungsstreitverfahren für ungültig zu erklären.
O. V. G., XIV, S. 41.
* Zur Prüfung der Wahlen ist sowohl der
z. Z. der Wahlen bestehende, wie auch der aus
den noch zu prüfenden Ergänzungswahlen ber-
vorgegangene Kreistag befugt. O. V. G., III,
S. 31. — Eine Frist für die Beschlußfassung
des Kreistages über die Legitimation seiner
Mitglieder und über die an der Wahl der-
selben beteiligt gewesenen Wablmänner ist nicht
vorgeschrieben. O. V. G., XII, S. 18. — Da
der Kreistag nur die Legitimation seiner Mit-
glieder zu prüfen hat, hat er nur darüber zu
beschließen, ob die Wahl derjenigen Personen,
die der Wablvorstand für gewäblt erklärt hat,
und welche bis zur Erledigung der Wablprüfung
einstweilen zu Sitz und Stimme im Kreistage
berechtigt sind (vgl. oben S. 110), gültig oder
ungültig ist. Letzteren Falls ist eine Neuwahl
anzuordnen; der Kreistag kann aber nicht statt
des nach seiner Meinung ungültig Gewählten
einen anderen, der nach seiner Ansicht vom
Wahlvorstande für Fwäht hätte erllärt werden
sollen, einberufen. V. G., III, S. 15; VII,
S. 94
* „Mitglied einer Wahlversammlung“ i. S.
der Kr. Ordugn. ist nicht nur derjenige, wel-
cher sich thatsächlich an der betreffenden Wahl
beteiligt hat, sondern jeder, der nach dem be-
stehenden Rechte einen Anspruch auf Teilnabme
an einer Wahlversammlung hat, wenngleich er
bei der in Rede stebenden Wabl nicht mitgewirkt
hat, weil ihm z. B. das Mitstimmen seitens des
Wahlvorstandes versagt wurde. Vgl. v. Brau-
chitsch, II, S. 144, Anm. 370; O. V. G.,
XXIV. S. 25. Andererseits „gehören zur
Wahlversammlung nicht die 1 Berechtigten?,
welche an der Wahl hätten teilnehmen dürfen,
sondern lediglich diejenigen, welche — entweder
persönlich oder durch eine dem Gesetze ent-
sprechende Person vertreten — in dem Wahl-
termine, um ibrerseits mitzustimmen, erschienen
sind“: O. V. G., a. a. O., S. 29.