396 Dritter Abschnitt. (8. 112.)
Die Kreisordnungen selbst erklären den Kreistag insbesondere für befugt 1: 1) nach
Maßgabe des Gesetzes statutarische und reglementarische Anordnungen zu treffen ?; 2) zu
bestimmen, in welcher Weise Staatsprästationen, die kreisweise aufzubringen sind, und
deren Aufbringungsweise nicht schon durch Gesetz vorgeschrieben ist, repartiert werden
sollen 3; 3) Ausgaben zur Erfüllung einer Verpflichtung oder im Interesse des Kreises
zu beschließen und zu diesem Behufe über das dem Kreise gehörige Grund= und Kapital-
vermögen zu verfügen, Anleihen aufzunehmen und die Kreisangehörigen mit Kreisabgaben
zu belasten; 4) innerhalb der gesetzlichen Vorschriften den Verteilungs= und Aufbringungs-
maßstab der Kreisabgaben zu bestimmen; 5) den Kreishaushaltsetat festzustellen und hin-
sichtlich der Jahresrechnung Decharge zu erteilen; 6) die Grundsätze festzustellen, nach
welchen die Verwaltung des dem Kreise gehörigen Grund= und Kapitalsvermögens",
sowie der Kreiseinrichtungen und #anstalten zu erfolgen hat; 7) die Einrichtung von
Kreisämtern zu beschließen, die Zahl und Besoldung der Kreisbeamten zu bestimmen;
8) die Wahlen zum Kreisausschusse und zu den durch das Gesetz für Zwecke der allge-
meinen Landesverwaltung angeordneten Kommissionens nach den Vorschriften des Wahl-
reglements zu vollziehen, sowie besondere Kommissionen und Kommissare für Kreiszwecke
zu bestellen; 9) Gutachten über alle Angelegenheiten abzugeben, die ihm zu diesem Be-
hufe von den Staatsbehörden überwiesen werden.
Beschlüsse des Kreistages, welche seine Befugnisse überschreiten oder die Gesetze
verletzen 6, hat der Landrat, entstehenden Falls auf Anweisung der Ausfsichtsbehörde,
unter Angabe der Gründe zu beanstanden. Gegen die Beanstandungsverfügung des Land-
rats steht dem Kreistage innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschusse
offen; zur Wahrnehmung seiner Rechte im Verwaltungsstreitverfahren kann der Kreistag
einen besonderen Vertreter bestellen. Die Ausführung des betreffenden Beschlusses
bleibt suspendiert, bis über die Beanstandung definitiv entschieden ist.' Beschlüssen des
Kreistages, die zwar nicht gesetz= oder kompetenzwidrig sind, nach Ansicht des Landrats
aber das Kreiswehl oder das Kreisinteresse verletzen, kann der Landrat nicht, analog
dem Gemeindevorsteher, die Ausführung versagen.
8. 112.
e. Die Auflösung des Kreistages
ist an keine besonderen gesetzlichen Voraussetzungen gelnüpft. Sie erfolgt auf Antrag
des Staatsministeriums durch königliche Verordnung. Mit der Auflösung verlieren
Kr. O. ö., §. 116; w. u. rh., bann.,
Fonds, welche in der Kur= und Neumark Bran-
8. 73; hess. Nass. „S. 74; schlesw. an 8. 103.
denburg aus den Kontributionsüberschüssen an-
2 vgi. unten S. 408.
s Jedoch behält es bei den Bestimmungen
des §. 5, Z. 3 des Eriegsleistungsgesetzes v.
Mai 1851 (G. S., S. 362), nach aus-
niialicher Vorschrift der Kr. Ordugn. sein Be-
wenden (.3.2, Abs. 2 der in vorangehender Anm. 1
cit. §§.). Danach erfolgt die Verteilung des
Bedarfs innerhalb der Kreise auf die Gemeinden
durch die Landräte unter Zuziehung eines von
der Kreisvertretung gewählten Ausschusses. Der
Kreistag braucht heute keinen besonderen Aus-
schuß mehr ad hoc zu bestellen, er kann ein
für allemal den Kr. A. mit den betreffenden
Geschäften beauftragen. O. V. G., V. S. 40;
v. Brauchitsch, II. S. 147, Anm. 377.
4 Nach der Kr. O. ö., §. 117, u. schlesw.-holst.,
§. 104, steht die Verfügung über Fonds. welche
der Gesamtheit des platten Landes oder der
Städte gehören, den Kreistagsabgeordneten des
platten Landes bezw. der Städte allein zu.
Demzufolge haben insbesondere über diejenigen
gesammelt sind, allein die Kreistagsabgeordneten
des platten Landes zu verfügen. Uber die Ent-
stehung dieser Kontributionsüberschüsse vygl.
Bornback, St. R., II, S. 235.
5 Dabin gebören z. B. die Wahlen der bürger-
lichen Mitglieder der verstärkten Ersatzkommis-
sionen (§. 30 des R. Milit. G. v. 2. Mai 1874
[R. G. Bl., S. 45; §. 2, Z. 6 der Wehrordnung
v. 22. Nov. 1888 fR. Centr. Bl., 1889, S. 1;
die Wahlen zur Einkommensteuerveranlagungs-
kommission (§. 34 des Eink. St. G.); die Wahlen
zur Kreiseinquartierungskommission (§F. 7 des
OQuartierleistungsges. v. 25. Juni 1868 (B. G.
Bl., S. 523)) u. s. w.
*üler den Begriff der Gesetzesverletzung
vgl. oben S. 135, Anm. 4.
7 Kr. O. ö., S. 178: w. u. rb., §. 94; bann.,
8. 106; bess. ’ 8. 107; schlesw. *Wd #s. 142.
3 v. Stengel, Organisation, S. 282; Grote-
send, !I, S. 687; Bornhack, St. R. pII. S. 294ff.