Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

432 Vierter Abschnitt. (8. 129.) 
Im übrigen enthielt das Gesetz nur allgemeine Grundsätze über die Provinzialstände 
und verhieß besondere Ausführungsgesetze für die einzelnen Provinzen. Deren ergingen 
acht, und zwar unterm 1. Juli 1823 die drei Gesetze wegen Anordnung der Provinzial- 
stände für die Mark Brandenburg und die Markgrafschaft Niederlausitz (G. S., 
S. 130), für das Königreich Preußen (G. S., S. 138), für Pommern mit Rügen 
(G. S., S. 146), und unterm 27. März 1824 die fünf Gesetze wegen Anordnung der 
Provinzialstände für das Herzogtum Schlesien, die Grafsschaft Glatz und die Mark- 
grafschaft Oberlausitz (G. S., S. 62), für die Provinz Sachsen (G. S., S. 70), 
für die Rheinprovinz (G. S., S. 101), für die Provinz Westfalen (G. S., S. 108) 
und für das Großherzogtum Posen (G. S., S. 141). Hervorzuheben ist dabei noch, 
daß die Grenzen der durch diese Gesetze reorganisierten Provinzialverbände sich nicht 
durchweg mit denen der Provinzen als Verwaltungsbezirke deckten; es wurde viel- 
mehr auf die bereits vorhandenen kommunalständischen Verbände, welche bisweilen Teile 
verschiedener Provinzen umfaßten, Rücksicht genommen. Diese sollten bestehen bleiben, 
sofern nicht durch gemeinschaftliche Übereinkunft alle Kommunalverhältnisse auf den Pro- 
vinzialverband übernommen wurden, und ihre Angelegenheiten sollten jährlich in beson- 
deren, mit Genehmigung des Landtagskommissarius abzuhaltenden Versammlungen 
(Kommunallandtagen), jedoch mit verhältnismäßiger Zuziehung von Abgeordneten aller 
Stände, welchen die einzelnen provinzialständischen Gesetze die Standschaft beilegten, 
erledigt werden. 
1) Die Provinzial stände hatten ihr vorzüglichstes Organ im Provinziallandtage. 
Dieser war zusammengesetzt nach der altständischen Gliederung der Bevölkerung in die 
drei Stände des Grundadels, der Städte und der Bauern oder Landgemeinden. Der 
erste Stand, zu welchem in Brandenburg bezw. Sachsen auch die Domkapitel von 
Brandenburg, Merseburg und Naumburg gehörten, hatte teils Virilstimmen, teils Kurial- 
stimmen und zerfiel danach in Schlesien, Sachsen, Rheinland und Westfalen in 
zwei selbständige Stände, den hohen Adel und die Ritterschaft, sodaß es hier vier 
Stände gab. Die Voraussetzungen für die aktive und passive Wahlfähigkeit zum Pro- 
vinziallandtage waren verschiedene, sowohl nach den einzelnen Provinzen, wie nach den 
Ständen; allgemein wurde jedoch für die Wählbarkeit gefordert: Alter von 30 Jahren, 
christliche Konfession, unbescholtener Ruf und zehnjähriger Grundbesitz. 
Die Berufung der Provinziallandtage, welche in der Regel alle zwei Jahre nach 
dem in den betreffenden Gesetzen ein für allemal bestimmten Orte stattfinden sollte, er- 
folgte durch den König, er bestimmte auch die Dauer der Tagung und ernannte den 
Vorsitzenden (Landtagsmarschall) nebst einem Stellvertreter aus der Mitte der Landtags- 
abgeordneten. Die Verhandlungen auf dem Provinziallandtage erfolgten derart, daß 
gewöhnlich die Vertreter aller Stände einer Provinz eine Einheit bildeten, gemeinsam 
berieten und beschlossen; hatten jedoch die Stände bei einem Gegenstande entgegengesetzte 
Interessen, so fand eine itio in partes statt, sobald zwei Drittel der Stimmen eines 
Standes, welcher sich durch den Beschluß der Mehrheit verletzt glaubte, es verlangte; 
die einzelnen Stände verhandelten alsdann gesondert, und ihre verschiedenen Gutachten 
wurden dem Könige zur Entscheidung vorgelegt. Die königliche Bestätigung, welche zur 
Gültigkeit der Landtagsbeschlüsse erforderlich war, erfolgte in Form eines öffentlich 
bekannt gemachten Landtagsabschiedes. Mit der Regierung konnte der Landtag nur durch 
Vermittelung des von ihr (für jeden Landtag besonders) bestellten Kommissarius in Ver- 
bindung treten. Dieser hatte alle Erklärungen namens der Regierung abzugeben, An- 
träge und Gutachten seitens des Landtages in Empfang zu nehmen, den Laudtag zu 
schließen und seine Beschlüsse dem Könige einzureichen. 
Zur Erledigung laufender Verwaltungsgeschäfte des Provinzialverbandes konnten 
die Stände geeignete Personen wählen und nach einer Verordnung v. 21. Juni 1842 
auch besondere ständische Verwaltungsausschüsse bestellen. Die außerhalb des Landtages 
vorkommenden Geschäfte, für welche solche Kommissionen nicht bestellt waren, wurden vom 
Oberpräsidenten besorgt, dem zugleich die Aufsicht über alle Verwaltungskommissionen zustanr. 
Der Umfang der den Provinzialständen übertragenen Angelegenheiten war in den 
einzelnen Gesetzen verschieden begrenzt: überall stand ihnen die Verwaltung des Land- 
armenwesens, der Irrenanstalten, Taubstummen= und Blindeninstitute, der Provinzialfeuer= 
sozietäten, gewisser Stipendien-, Meliorationsfonds und ähnlicher Wohlfahrtseinrichtungen
	        
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