Full text: Sächsisches Realienbuch enthaltend Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte, Physik, Chemie und Mineralogie

— 59 — 1 
lauschten. Der berühmteste Meistersänger war Hans Sachs in Nürnberg, ein 
„Schuh- macher und Poet dazu“. 
8. Wehr und Waffen. Jeder Bürger war zum Waffendienst verpflichtet 
und mußte, wenn die Sturmglocke erschallte, mit seinem Spieße auf dem bestimmten 
Platze erscheinen (daher Spießbürger). Manche Städte hielten sich auch Stadt- 
knechte oder Söldner. In Friedenszeiten übten sich die Bürger in den Waffen 
und veranstalteten Schützenfeste, auf denen sie mit der Armbrust nach einem höl- 
zernen Vogel schossen. Wer am besten traf, wurde Schützenkönig und bekam einen 
Preis. — Verkündete vom hohen Wartturme der spähende Wächter den Feind, 
so führte der Stadthauptmann das Bürgerheer aus der Stadt, um die Feldschlacht 
zu wagen. Voran ritten die Geschlechter mit dem Stadtbanner, dann folgten die 
Zünfte: die Schmiede, Metzger, Tuchmacher, Weber, Schuster usw. unter ihren 
Zunftmeistern. Zuletzt kamen die Söldner. Mußte eine Belagerung ausgehalten 
werden, dann gab es saure Arbeit; denn die Feinde suchten die Mauer zu zerstören 
oder zu übersteigen. Sie schoben den Mauerbrecher heran, zogen den an Ketten 
wagerecht hängenden schweren Balken etwas zurück und stießen ihn dann mit seiner 
eisernen Spitze gegen die Mauer, um eine Bresche zu legen. Oder sie schleuderten 
mit Wurfmaschinen schwere Steine in die Stadt. Mittlerweile war der hölzerne 
Belagerungsturm fertig, der die Stadtmauer überragte. Er wurde auf Rädern 
dicht herangeschoben, eine Fallbrücke niedergelassen, und nun drangen die Krieger 
in die Stadt. Andere erstiegen mit Leitern die Mauer. Die Bürger aber wehren 
sich. Ein Loch in der Mauer wird sofort wieder ausgefüllt. Mit der Armbrust 
suchen sie jeden Feind, der sichtbar wird, niederzuschießen. Sie gießen Pech, Schwefel 
und geschmolzenes Blei auf die Andringenden und suchen den Belagerungsturm 
in Brand zu setzen. Oft werden die Feinde mit blutigen Köpfen heimgeschickt. 
3. Recht und Geletz. 
1. Femgerichte. Aus den alten Volksgerichten der Franken entstanden nach 
und nach die Femgerichte. In den schutz- und rechtlosen Zeiten des Mittelalters 
verbreiteten sie sich durch ganz Deutschland. Sie gewährten jedem Freien den 
sichersten Schutz und waren der Schrecken der Übeltäter. Ihre obersten Richter 
hießen Freigrafen, die übrigen Mitglieder Freischöffen oder auch „Wissende“, 
weil sie um die Geheimnisse der Feme wußten. Die Stätte, wo das Gericht ab- 
gehalten wurde, nannte man die Mahlstätte, das Gericht selbst den Freistuhl. 
Der oberste Freistuhl war in Dortmund unter der Femlinde, die noch heute als 
Zeuge jener Gerichtsstätte dasteht. Ursprünglich bildeten sich die Femgerichte näm- 
lich nur in Westfalen aus. Die Freibauern hier blieben lange nur von Kaiser und 
Reich abhängig und behielten die Grafengerichte bei, wie zur Zeit Karls des Großen. 
Auf der Mahlstätte stand ein Tisch, um den die Richter saßen. Auf dem Tische 
lagen Schwert und Strick, die Zeichen des Rechts über Leben und Tod. War 
jemand beim Femgerichte verklagt, dann ward er durch den Ladebrief mit sieben 
Siegeln vorgeladen. 
War er ein Ritter, der auf seiner Raubburg verschlossen wohnte, so hieben die Fron- 
boten drei Späne aus dem „Rennbaum oder Riegel“ am Tore und steckten den Ladungs- 
brief in die Kerben. (Daher noch heute der Ausdruck Steckbrief.) Dann schlugen sie drei-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.