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Veranda auf. Nirgends sich drängend, lassen die Villen einander
Luft und Licht, und ohne sich zu überheben, läßt die eine der anderen
die besondere Schönheit ihres eigenartigen Baustiles. Alle aber
vereinen sich zu einem lieblichen Gesamtbilde, so daß die Lößnitz
einen einzigen Garten Eden zu bilden scheint. Auch das benachbarte
Kötzschenbroda nimmt an der Fülle teil, mit der das Jahr das
Elbtal segnet. Der Frühling bringt ihm duftige Blüten, der Sommer
die purpurne Erdbeerfrucht („Erdbeerbörse"), goldene Trauben der
Herbst und milde Tallust der Winter. Brustkranke suchen daher
den geschützten Elbort auf, wenn Schneestürme auf den Höhen toben,
und preisen ihn als das „sächsische Nizza.“ Dieser mehr städtischen
Schönheit, des rechten Elbufers gegenüber schmückt sich das linke
mit ländlicher Anmut. Kaum zieht der Lenz ins Tal, so sprossen
die Saaten saftiggrün auf dem Acker, und der Kirschbaum setzt die
Knospen an. In einer lauen Nacht brechen die Blütenrosen die
bräunliche Hülle, ein weißer Schleier hüllt die Berge ein, berauschender
Duft strömt aus Millionen Kelchen, und die Sonne gießt ihr
goldenes Licht über die Blütenwelt. Wer wollte da in den beengenden
Mauern der Hauptstadt bleiben? Alles wallt hinaus auf die
luftigen Höhen (nach Cossebaude), oder in die duftigen Gründe
(Zschoner Grund); die Freude glänzt aus den Augen, und das
Lied tönt von den Lippen. Die Frühlingszeit ist doch die
schönste Zeit des Talesl
Schlußzusammenfassung: So entfaltet die Umgebung
Dresdens nach allen Seiten hin ihre besonderen Reize. Nach dem
Morgen breitet sich die eruste Heide aus, welche die Militärstadt
umschließt. Nach dem Abend hin öfsnet sich ein felsenumgürtetes
Kohlenbecken, in dem sich ein Fabrikdorf an das andere reiht. Nach
dem Mittag hin erschließt sich das breite Elbtal mit seinem südlichen
Hauche und einem Dichter= und Königssitze. Nach Mitternacht
hin weitet es sich zu einem gesegneten Gelände aus, das deutschen
Wein und deutsche Obstfrucht und eine milde Villenlandschaft trägt.
Tal und Höhen, Luft und Licht, Bebauung und Besiedelung aber
wirken zusammen, um Dresden mit einem Stromstücke zu umfassen,
das in seiner Anmut zu den schönsten Deutschlands gehört.
IV. Lehrdichtung:
1. Am Borde des Elbschiffs, von Wellen umrauscht,
Erklingen hell die Pokale,
Und Reden wechselu, vom Strome belauscht;
Sie preisen die Schönheit im Tale.
2. Seht dort die Ahren, von Körnern geschwellt,
Rust der Bauer. Am sonnigen Strande
Da liegt mein braungold'nes Weizenfeld;
Wo wallet eins reicher im Lande?
3. Doch geht mir über die Ahren der Wein,
Entgegnet der Win zer. Im Brande
Der Mittagssonne kocht er sich rein
Und feurig wie nirgend im Lande!