— 88 —
frische Natur eine Stätte des Todes übersponnen, die viele altehrwürdige
Erinnerungen festhält. Wir stehen vor der Ruinenstätte des größten
Klosters in altsächsischen Landen. Auf Anregung seiner Gemahlin
ließ es einst Markgraf Otto der Reiche (1162) erbauen und be—
schenkte die Stiftung mit Feld und Wald und den Einkünften
zahlreicher Dörfer. In den Zellen wohnten Mönche mit weißen
Kutten und schwarzem Schulterkleide. Schweigend saß der Pförtner
am Tor und überwachte den Eingang. Fleißig grub der Gärtner
das Land und pflanzte Reben und Rosen in den fruchtbaren Boden.
Emsig kelterte der Kellermeister den Saft der Traube und verschloß
ihn in bergenden Fässern. Geschäftig malzte der Brauer die
Gerste und kochte Bier in dampfenden Kesseln. Still gebückt saß
der Schreiber im gewölbten Zimmer und malte Noten und bunte
Schriften. Erust schritt der Magister durch den Schulraum
und lehrte in lateinischer Sprache vornehme Knaben, welche dic be-
rühmte Klosterschule besuchten. Scharen von Wallfahrern traten
ehrfurchtsvoll in die Hallen der Kirche, wo ein Kreuzesbild Wunder
wirkte. Roß und Reiter, Fuhrwerk und Wandergesell kehrten in dem
gastlichen Kloster ein, das jährlich Tansende von Gästen bewirtete.
Noch heute ragt, nachdem ein Blitzstrahl das Kloster zerstört hat,
das Winterhaus empor, in dem der Speisesaal der Klosterbrüder lag.
Noch heute fließt das Wasser, das die Mönche einst unter der Um-
fassungsmaner in den Klostergarten geleitet haben. Noch heute sind
in den Obst-, Feld= und Waldanlagen die Spuren des Segens zu
entdecken, welchen das Kloster über die ganze Landschaft breitete.
Vor allem aber sind die Grabsteine und Grabgemälde noch zum Teil
erhalten, die von sächsischen Fürsten hier aufgerichtet wurden. Denn
das Kloster ist eine alte Begräbnisstätte der Wettiner, die von Otto
dem Reichen an bis auf Friedrich den Streitbaren hier beigesetzt
worden sind. Jetzt wölbt sich über der Fürstengruft eine einfach
schöne Kapelle. Sandsteinmauern bergen die fürstlichen Gebeinec, und
ein Marmordenkmal hält die Erinnerung an die Toten fest. Da
steigen unter rankendem Grün ernste Gedanken an die Vergänglich-
keit des Lebens in unserer Seele auf. Es ist eine Stätte ernster
Einkehr und stiller Sammlung — der Klosterort im Tal.
3. Zu dem Kloster gehörte in früherer Zeit auch die Stadt,
die sich weiter abwärts in dem Tale der Mulde ausbreitet. Es ist
Roßwein (9 T.), ein Ort, der schon frühzeitig, durch glückliche
Lage begünstigt, ein reiches gewerbliches Leben zeigte. Die
Strömung der Mulde trieb Mühlwerke, das Korn der Umgebung zu
mahlen. Gerber und Färber wurden durch das fließende Wasser an-
gelockt und zogen Felle und Gewebe durch die reinigende Flut. Vor
allem wurde in der Nähe eine vorzügliche Erde eutdeckt, die sich zum
Walken des Tuches eignete. Schon im 14. Jahrhunderte schlossen
sich die Tuchwirker zu einer Innung zusammen, die Ende des
17. Jahrhunderts 300 Meister zählte. Unter Hinweis auf seine
Stellung wurde der Lehrling vor der offenen Meisterlade auf-