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aber haben in diesem ansgedehnten Waldgarten mit
seinen Grasteppichen und Baumpartien, mit seinen
gedeckten und offenen, vielfach verschlungenen Wegen,
mit seinem Schloß und Grabmal — den schönsten Park
im Tale gefunden.
3. Von Waldenburg ab zeigt das Muldental an seinen hoch-
strebenden Ufern eine düstere Natur und verengt sich wohl gar zur
wildernsten Schlucht. Die Felsen treten herausfordernd hervor und
werden von dunklen Klüften („Brauseloch“") durchsetzt. Derartige
Vorsprünge gaben einen festen Grundstein zum Aufban der Burgen.
Daher finden wir keine Stadt des Muldentales (mit Ausnahme
von Lunzenan) ohne den Schmuck eines Schlosses, das von steiler
Höhe aus den Ort beherrscht. Der Name Colditz (2½ T.) wird
als „Ringburg“ gedeutet. Treppen führen noch heute zu dem um-
fangreichen Schlosse auf, dessen Mauern freilich nicht mehr wie früher
fröhliche Jagdgesellschaften, sondern unheilbare Geisteskranke um-
schließen. Penig (7 T.) aber besitzt sogar zwei gräfliche (Schön=
burgische) Schlösser. Ja, früher ragten drei Raubburgen auf den
benachbarten Bergen auf, die belebte Straße zu sperren, die von
Prag nach Leipzig hier über die Mulde führte. Doch die schönste
Burg aus mittelalterlicher Zeit hält sich still abwärts von diesem
Orte bei dem Dorfe Rochsburg versteckt. Der Eingang zu der
Feste gleichen Namens („Felsenburg") ist durch das Felsgestein ge-
brochen worden und führt uns in den Vorhof ein. An die Stelle der
Zugbrücke ist jetzt aber eine feste Uberbrückung getreten, die den tiefen
Wallgraben als sicherer Steinweg überspannt. Hohe Mauern mit
Schießscharten umziehen ihn, aus denen Geschosse den anstürmenden
Feind trafen. Ein zweites Tor führt uns in den äußeren Schloßhof
ein, den Wirtschaftsgebäude umgeben und ein Pulverturm abschließt.
Auf breiter Treppe gelangen wir dann endlich in den inneren Hof
der Burg, an dem sich das Hauptgebände in drei Stockwerken mit
fensterreichen Giebeln erhebt. In den inneren Räumen werden
Rüstungen und Waffen verwahrt, und an den Wänden erzählen
Familienbilder von den Geschlechtern des Schönburgischen Hauses.
Eine Galerie zieht sich um den dicken Hauptturm herum, und ein
glockenähnliches Schieferdach schließt seine Rundung ab. Die Burg-
kapelle mit ihren Altertümern, das Burgverlies mit seinen feuchten
Zellen, der Brunnen, welcher sich durch das Gestein zur Tiefe des
Wasserspiegels senkt, und der hundertjährige Efeu, der das graue
Gemäuer an der Mittagsseite umspannt, vollenden das Bild der schönen,
mittelalterlichen Burg. Gartenaulagen umziehen sie, enge Pfade
klimmen am Felsen hin, bewaldete Höhen des rechten Ufers umschließen
sie, und die Mulde netzt ihren Felsenfuß, erfreut — mit uns die
schönste Burg des Tales zu grüßen.
4. Unterhalb der Rochsburg nimmt das Muldental bald mildere
Formen an. Die Uferhöhen, die sich bis jetzt fast gleichmäßig auf