108 Deutschland.
immerhin zu geben gedrängt, und in welcher Weise auch ein so genannter
Gesammtstaat eingerichtet werden möchte, es dennoch niemals nachlassen
würde, die Incorporation Schleswigs in das Königreich als das Hauptziel seiner
Politik mit allen erdenklichen Mitteln zu verfolgen, und daß demnach ein nie
endender, die besten Kräfte nutzlos verzehrender, alles Volkswohl untergrabender
und selbst den Frieden Europa's stets bedrohender Kampf zwischen dem Königreich
und den Herzogthümern unausbleiblich sein würde.... Mit dem Tode
Königs Friedrich VII. ist nun aber unsere Landessache in eine ganz neue
Phase getreten. Der Mannsstamm des älteren Zweigs der königlichen Linie
ist ausgestorben. Zur Thronfolge in den Herzogthümern Schleswig und Hol-
stein ist nach dem Verzicht des Herzogs Christian August von Schleswig-
Holstein-Sonderburg-Augustenburg dessen ältester Sohn Friedrich der zu-
nächst Berechtigte. Das ist die im Lande allgemein herrschende,
auf die anerkanntesten Rechtsautoritäten gestützte Ueberzeu-
gung. Eine Veränderung des bestehenden Thronfolgerechts ist ohne Zustim-
mung des deutschen Bundes, der berechtigten Agnaten und namentlich der
verfassungsmäßigen Vertretung des Landes, welche 1459 diesen Stamm er-
wählte und unter Christian IV. die jedesmalige Wahl, das Recht der Thei-
lung durch das Recht der Erstgeburt ersetzte, eine rechtliche Unmöglichkeit.
Diese unentbehrliche Zustimmung ist von keiner Seite jemals erfolgt. Daß
daher auch durch den Londoner Vertrag vom 8. Mai 1852, wie man den-
selben auch deuten möge, das Thronfolgerecht der augustenburgischen Linie
nicht aufgehoben werden kann, ist unbestreitbar.
„Zwar hat die Neuzeit Beispiele genug gebracht, daß berechtigte Für-
sten, die ihr Volk verwarf, durch Staatsverträge beseitigt worden sind;
aber daß ein legitimer Fürst, den sein Volk begehrt, durch
Verträge anderer Staaten rechtlich beseitigt werde, das kann
kein Herrscher behaupten, ohne den Boden zu untergraben,
auf dem er selber steht.
„So ist durch eine Fügung der Vorsehung den Herzogthümern ein neuer
Rechtsgrund für ihre Unabhängigkeit von Dänemark gegeben, und das Land
sieht mit Sehnsucht dem Augenblick entgegen, wo es dem le-
gitimen Thronfolger möglich sein wird, als Herzog von
Schleswig-Holstein die Regierung des Landes zu übernehmen.
Wohl wissen wir, wie große Hindernisse noch zu überwinden sind, um dies
ersehnte Ziel zu erreichen; aber wir haben an der Gerechtigkeit nicht verzwei-
felt, wie sie von Allen verlassen und unrettbar verloren schien. Und jetzt trägt
uns das Recht eines eigenen Fürsten, es trägt uns die gebührende Theilnahme
des deutschen Volkes und der Mehrzahl seiner Herrscher, und wir vertrauen zu
dem allmächtigen Gott, daß der hohe deutsche Bund nicht zögern wird,
das Recht unseres Fürsten auf die ihm angestammten Herzogthümer
Schleswig und Holstein anzuerkennen und ihn baldigst in den Stand
zu setzen, die Regierung der Lande zu übernehmen.“
Von den 49 Abgeordneten, aus denen die Ständeversammlung zur Zeit
besteht, (da die landgräfliche Virilstimme nicht wohl gerechnet werden kann, und
der Wahldistrikt Neumünster-Preetz ohne Vertretung ist), sind 42 erschienen, und
von diesen haben 33 für die Anerkennung des Herzogs Friedrich sich erklärt
9 dagegen (1 Geistlicher, 4 ritterschaftliche und größere Gutsbesitzer, 1 länd-
licher Abgeordneter und 2 Justizbeamte als städtische Vertreter). Von den
37 vorhandenen Stellvertretern sind nur die Hälfte erschienen. Im Ganzen
haben von 60 oder 61 Anwesenden 49 die Adresse unterzeichnet, so daß über
das Votum der Ständeversammlung, wenn sie förmlich einberufen worden
wäre, kaum ein Zweifel möglich ist.
22. Dec. Der sächsische Minister v. Beust verständigt sich in München
mit der bayerischen und in einer Zusammenkunft mit dem