122 Preußen.
Urkunde formell zustehendes Recht geübt hat. Unbestritten darf nach Art. 62
derselben das Abgeordnetenhaus jede einzelne, selbst unvermeidliche Aus-
gabe, welche in dem von der Staatsregierung beiden Häusern des Landtags
vorzulegenden Entwurfe des Staatshaushaltsgesetzes vorgeschlagen wird, ver-
weigern. Unbestritten darf das Herrenhaus den ganzen Gesetzentwurf
verwerfen. Unbestritten ist es, daß ohne freie Einwilligung der Krone kein
Gesetz zu Stande kommen kann, also auch nicht das über den Staats-
haushalt, auf dessen Zustandekommen die Verfassung rechnet.
Aber nirgends schreibt die Verfassung vor, wer bei entstehendem Dissensus
zwischen der Krone und einem oder den beiden Häusern oder zwischen den
beiden Häusern selbst, von denen nach Art. 83 der Verfassung nicht eins allein,
sondern welche beide das ganze Volk vertreten, nachgeben müsse. In ande-
ren constitutonellen Staaten liegt die thatsächliche Nothwendigkeit des
Nachgebens für die Krone in solchem Falle darin, daß sie sofort oder binnen
kurzer Frist des gesetzlichen Rechts entbehrt, die zur Fortführung der Ver-
waltung erforderlichen Staatseinnahmen zu erheben. Die preußische Ver-
fassung erhält der Krone im Art. 109 ausdrücklich und unbestreitbar dieses
Recht. Wir bezweifeln in der Erinnerung an die bei der Revision der Ver-
fassung gepflogenen Verhandlungen, daß ohne diese Bestimmung die Verfassung
zu Stande gekommen wäre. Es gibt also kein Gesetz, auf welches der eine
oder andere Theil behufs Lösung dieses Conflictes sich stützen könnte. Aber
es gibt ein Wort, das der deutschen Sprache allein angehört, welches den
Herrscher des Landes auch den Landesvater nennt.. In dieser schweren,
aber unabweislichen Aufgabe werden wir die Regierung Ew. k. Maj.
nach unseren Kräften unterstützen . . . ."
6. Febr. Die Fortschrittspartei beschließt durch Einbringung eines Ge-
setzesentwurfs über Ministerverantwortlichkeit verantwortlichkeit im Abg.=
Hause die Initiative zu ergreifen.
8. „ Antwort des Königs auf die Adresse des Herrenhauses, die er
in Gegenwart der Minister, also in constitutioneller Form, ent-
gegen nimmt:
„Es muß Meinem Herzen wohlthun, in der loyalen Adresse des Herren-
hauses, welche Sie Mir verlesen haben, die volle Uebereinstimmung
mit Meinen Gesinnungen zu finden. . . . Es wird dies Ziel von
Meiner Regierung erstrebt werden, indem sie mit Festigkeit auf dem
von ihr vertretenen Standpunkte beharrt, aber jeder versöhnlichen
Annäherung, welche die Machtstellung Preußens im Auge behält, zugänglich
bleibt. Ich danke dem Herrenhause für die Unterstützung, welche dasselbe
Meiner Regierung zugesichert hat, und für die Hingebung und das Ver-
trauen, von welchem das Haus in der Adresse Mir hat Zeugniß geben wollen.“
„ „ Abschluß einer geheimen Convention mit Rußland gegen
die polnische Insurrection.
10. „ Das Abg.-Haus verwirft fast einstimmig das von der Regierung vor-
gelegte Diätengesetz. Die Regierung nimmt in der Debatte das
Recht in Anspruch, die Verhältnisse derjenigen Abgeordneten, welche
Beamtete sind, im Verwaltungswege zu ordnen. — Der Kriegsminister
bringt die Novelle zum Wehrpfichtgesetz von 1814 ein: die
Regierung beharrt auf ihrer Forderung, die Zahl der jährlich aus-
zuhebenden Recruten um 23,000 zu vermehren, die dreijährige
Diensizeit festzuhalten und die Reservepflicht von 2 auf 4 Jahre
zu erhöhen.