Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

126                              Preußen. 
 
  
17. April. Der Abg. Twesten interpellirt die Regierung, ob sie den däni- 
 
  
 
schen Erlaß vom 30. März d. J. als eine Verletzung der in 
den Jahren 1851 und 1852 von Dänemark gegebenen Zusiche- 
rungen betrachte und verlangt, daß die Regierung die damals über- 
nommenen. Verpflichtungen, namentlich den Beitritt zum Londoner 
Protokoll von 1852, als dahingefallen erkläre. Mehr, fügt er 
hinzu, könne zur Zeit zur Abwehr nicht geschehen; ein Krieg sei 
bei der inneren Zerklüftung unmöglich, das Haus selbst würde da- 
gegen opponiren. Der Ministerpräsident erklärt darauf zunächst, 
wenn die Regierung es für nöthig finden sollte, einen Krieg zu 
führen, so werde sie ihn führen mit oder ohne das Gutheißen dieses 
Hauses und verliest dann eine Antwort, nach welcher Oesterreich 
und Preußen in Kopenhagen bereits protestirt haben und sich über 
weitere Schritte sowohl unter sich als mit dem deutschen Bunde 
verständigen würden. Die Frage des Londoner Protokolls, wird 
mit Stillschweigen übergangen.  
18.  „  Das Abg.-Haus genehmigt den Haudelsvertrag mit Belgien 
mit allen gegen 2 (kath.) Stimmen. 
20.  „ Die Militärcommission des Abg.-Hauses beschließt darauf 
anzutragen, das Haus wolle, nachdem es über den Entwurf eines 
Militärgesetzes (resp. die Norelle zum. Militärgesetz von 1814) 
 
 
       
Beschluß gefaßt, folgende Erklärung abgeben: 
       „ I. 1) Die Militärgerichtsbarkeit ist auf die rein militärischen Ver- 
gehen und Verbrechen zu beschränken; 2) die militärischen Ehrenge- 
richte in ihrer gegenwärtigen Gestalt sind aufzuheben; 3) es ist dringend 
erforderlich, die Grundlagen der Ausbildung der Offiziere, namentlich durch 
 Aufhebung resp. gänzliche Umformung der Cadettenhäuser  zu ändern; 
 
4) das Recht jedes im Heere dienenden Wehrpflichtigen, nach Maßgabe seiner 
Kenntnisse und Fähigkeiten zum Offizier befördert zu werden, ferner die Be- 
förderung von Unteroffizieren zu Offizieren, und zwar rücksichtlich der Subaltern= 
stellen ohne ein wissenschaftliches Examen, auch für den Friedenszustand gesetzlich 
zu ordnen und zu sichern und die thatsächlich bestehende Bevorzugung des Adels 
in den Offizierstellen zu beseitigen; 5) es ist erforderlich: die bei einem mäßi- 
gen Friedensheere finanziell zulässige Erhöhung des Soldes der Ge- 
meinen und Unteroffiziere baldigst einzuführen und dabei die bisher bevor- 
zugten Truppen des Garde-Corps den Linientruppen glelchzustellen; 6) die An- 
sprüche der Gemeinden auf Servis-Entschädigung sind im Wege der Gesetz- 
gebung baldigst neu zu ordnen. II. Nur ein Ministerium, welches das 
verfassungsmäßige Budgetrecht des Abgeordnetenhauses anerkennt  und aufrecht 
erhält, kann einen befriedigenden Abschluß der Gesetzgebung 
über das Heerwesen herbeiführen und damit den innern 
Frieden des Landes wiederherstellen.“ 
22.   „  Das Abg.-Haus nimmt den Entwurf eines Ministerverantwortlichkeitsgesetzes nach dem Antrage der  
Commision mit großer Mehrheit an. Der Ministerpräsident erklärt den gegenwär- 
tigen Zeitpunkt für ungeeignet zu Erlassung eines solchen Gesetzes, 
dessen nothwendige Vorbedingung sei, daß für seine Handhabung 
die. Verfassung eine vollkommen klare und vollständige Grundlage 
biete, weßhalb die Regierung dem Entwurfe nicht zustimmen könne.
	        
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