Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

Preußen. 129 
gierung zu überweisen, „unter ausdrücklicher Anerkennung des Rechts 
derselben, die Frage, ob die im Abgeordnetenhause sitzenden königl. 
Beamten die Kosten ihrer Stellvertretung selbst tragen sollen, defi- 
nitiv, und diejenige, über die Gewährung der Reisegelder und 
Diäten an die Abgeordneten bis zum Erlaß eines desfallsigen Ge- 
setzes provisorisch zu entscheiden.“ 
21. Mai. Der König tritt durch ein von sämmtlichen Ministern gegen- 
 
gezeichneten Schreiben an das Abg.-Haus für das Begehren 
der Minister in dem Conflict derselben mit dem Hause ein: 
          „ . . . Unser Staatsministerium hat durch seine Schreiben vom 11. und 
16. d. M. dem Hause der Abg. wiederholte Gelegenheit geboten, den Vor- 
gang v. 11. d. M. auf die Bedeutung eines vereinzelten Falles zurückzuführen. 
Das Haus der Abgeordneten ist diesem versöhnlichen Schritte seinerseits nicht 
entgegengekommen, sondern hat die erbetene Erklärung versagt und sich indi- 
rect den von Seiten des Präsidiums am 11. d. M. bethätigten Anspruch 
auf eine Disciplinargewalt über Unsere Minister angeeignet. Ein solcher 
Anspruch entbehrt der gesetzmäßigen Grundlage, und Wir können es der 
Würde Unserer Regierung nicht für entsprechend erachten, daß Unsere 
Minister als Vertreter der Krone den Verhandlungen des Hauses unter Ver- 
zichtleistung auf die ihnen rechtlich zustehende und verfassungsmäßig verbriefte 
selbständige Stellung gegenüber dem Hause der Abgeordneten und dem Prä- 
sidium desselben beiwohnen. Wir können daher das Haus der Abgeordneten 
nur ermahnen, einer Lage der Dinge, unter welcher die wesentlichsten In- 
teressen des Landes leiden, ein Ende zu machen, indem das Haus der Abge- 
ordneten Unseren Ministern die von denselben verlangte Anerkennung ihrer 
verfassungsmäßigen Rechte gewährt und dadurch das fernere geschäftliche 
Zusammenwirken ermöglicht, ohne welches ein Ergebniß der Verhandlungen 
des Landtags sich nicht in Aussicht nehmen läßt.“ 
         Das Haus beschließt fast einstimmig, die Botschaft des Königs 
der Adreßcommission zu überweisen. 
22.   „ Die Adreßcommission erstattet dem Abg.-Hause Bericht und 
legt ihm den Entwurf einer Adresse vor. Die Fraction der 
Altliberalen stellt demselben ein Amendement entgegen, das die 
Adresse lediglich auf den jüngsten Conflict beschränkt und dahin 
schließt: Das Abg.-Haus sei gemäß dem factischen Hergang außer 
Stande, die verlangte Erklärung abzugeben, von der das Ministe- 
rium sein Wiedererscheinen im Hause abhängig machen wolle; die 
Dinge seien leider dahin gediehen, daß ein Ergebniß von Verhand- 
lungen des gegenwärtigen Ministeriums mit dem gegenwärtigen 
Abgeordnetenhause nicht mehr abzusehen sei. Das Haus lehnt das 
Amendement der altliberalen Fraction mit 257 gegen 41 Stimmen 
ab und genehmigt den Entwurf der Commission mit 239 gegen 
61 Stimmen: 
         „Ew. Maj. allerhöchste Botschaft vom 20. d. M. ist von dem Hause der 
Abg. ehrfurchtsvoll entgegengenommen worden. Dieselbe bezieht sich auf den 
Hergang, welcher in der ehrerbietigst beigefügten Ausfertigung des betreffenden 
Theils der stenographischen Berichte wiedergegeben ist. — Wir können daraus 
nur entnehmen, daß Ew. Maj. die Verhandlungen des Hauses nicht wahr- 
heitsgetreu vorgetragen worden sind. Unser Präsident hat in der Sitzung 
vom 11. d. M. nicht den Anspruch erhoben, die Minister Ew. Maj. seiner 
                                                                                                                             9
	        
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