Preußen. 133
neten entgegentreten, sein verfassungsmäßiges Recht der Theilnahme an der
Gesetzgebung als ein Mittel zur Beschränkung der verfassungsmäßigen Frei-
heit königl. Entschließungen zu benützen. Ein solches Bestreben gibt sich darin
kund, daß das Haus der Abgeordneten seine Mitwirkung zu der gegenwärtigen
Politik Meiner Regierung ablehnt, und einen Wechsel in der Person
Meiner Rathgeber und Meines Regierungssystems verlangt. Dem
Artikel 45 der Verfassungs-Urkunde entgegen, wonach der König die Minister
ernennt und entläßt, will das Haus Mich nöthigen, Mich mit Ministern zu
umgeben, welche ihm genehm sind; es will dadurch eine verfassungswidrige
Alleinherrschaft des Abgeordnetenhauses anbahnen. Dieß Verlangen weise
Ich zurück, Meine Minister besitzen Mein Vertrauen, ihre
amtlichen Handlungen sind mit Meiner Bewilligung gesche-
hen, und Ich weiß es ihnen Dank, daß sie es sich angelegen
sein lassen, dem verfassungswidrigen Streben des Abgeord-
netenhauses nach Machterweiterung entgegenzutreten. Unter
der Mitwirkung, welche das Haus Meiner Regierung zu verweigern erklärt,
kann Ich nur diejenige verstehen, zu welcher das Haus verfassungsmäßig be-
rufen ist, da eine andere von ihr weder beansprucht werden kann, noch von
Meiner Regierung verlangt worden ist. Angesichts einer solchen Weigerung,
welche überdieß durch den Gesammtinhalt und die Sprache der Adresse, sowie
durch das Verhalten des Hauses während der verflossenen vier Monate in ihrer
Bedeutung klar gestellt wird, läßt eine fernere Dauer der gegenwärtigen Session
keine Resultate erwarten, sie würde den Interessen des Landes weder seiner
innern Lage, noch seinen auswärtigen Beziehungen nach entsprechen.
Auch Ich suche, wie Meine Vorfahren, den Glanz, die Macht und die Sicher-
heit Meiner Regierung in dem gegenseitigen Bande des Vertrauens und
der Treue zwischen Fürst und Volk. Mit des Allmächtigen Hülfe wird es
Mir gelingen, die sträflichen Versuche zu vereiteln, welche auf Lockerung
dieses Bandes gerichtet sind. In Meinem Herzen steht das Vertrauen auf
die treue Anhänglichkeit des preußischen Volkes an sein Königshaus zu fest,
als daß es durch den Inhalt der Adresse des Abgeordnetenhauses erschüttert
werden sollte."
27. Mai. Das Abg.-Haus vernimmt die Antwort des Königs auf seine
Adresse. Eine königliche Botschaft kündigt zugleich den Schluß der
Session an und entbietet das Haus auf den Nachmittag in den
weißen Saal des königl. Schlosses. Der Präsident des Abg.-Hauses
schließt die Sitzung „in der festen Zuversicht, daß Preußens Volk,
ohne die Bahnen der strengsten Gesetzlichkeit auch nur einen Augen-
blick zu verlassen, in dem heftig entbrannten Verfassungskampf sich
treu und fest um seine beschworene Verfassung und seine Vertreter
schaaren und das Palladium seiner durch sie erworbenen Rechte und
Freiheiten gegen jede verfassungswidrige Octroyirung
heilig halten und schützen wird.“ Der Minister-Präsident v. Bismarck
schließt den Landtag mit einer Rede im Namen des Königs:
„Die Regierung Seiner Majestät hatte bei der Eröffnung dieser
Sitzungsperiode den Wunsch Und das Bestreben kundgegeben, ein ein-
müthiges Zusammenwirken mit den beiden Häusern des Landtags herzu-
stellen. Die bestehende Verfassung und die gemeinsame Hingebung für das
Wohl des Landes und die Ehre der Krone war als die Grundlage bezeichnet
worden, auf welcher dieses Ziel zu erreichen sein werde. Nach dem Ergebniß
der Thätigkeit des Landtags in den verflossenen vier Monaten ist dieser Wunsch
jedoch im Wesentlichen unerfüllt geblieben. . . . Das Haus der Abgeord-
neten ist schon durch die Kundgebungen, von welchen der Beginn seiner Ar-