136 Preußen.
4. Juni. Die Stadtverordneten von Berlin beschließen mit 66
gegen 14 Stimmen, eine Deputation an den König zu senden, um
„dem König ehrfurchtsvoll vorzustellen, daß die im Widerspruch mit
der Verfassung eingeführten Beschränkungen der Presse durch Unter-
drückung von Zeitungen und Zeitschriften seitens der Verwaltungs-
behörden nicht nur das Vertrauen auf die Geltung der Verfassung
und die Gesetze erschüttern, sondern auch wichtige Eigenthums =In=
teressen dem freien Ermessen der Verwaltungsbehörden anheimgeben
und tief verletzend in das bürgerliche Leben und Gewerbe eingreifen;
daß ferner die Fortführung der Regierung ohne einen geordneten
Staatshaushalt und der immer tiefergehende Verfassungsconflict den
Credit und das Vertrauen der besitzenden und gewerbetreibenden
Classen in immer weiteren Kreisen gefährden, und ihn unterthänigst
zu bitten, durch schleunige Berufung des Landtags die Wiederher-
stellung eines verfassungsmäßigen Zustandes herbeizuführen." Der
Magistrat beschließt am folgenden Tage, sich an der Deputation der
Stadtverordneten zu betheiligen. Die Stadtverordneten der bedeu-
tendsten Städte der Monarchie fassen ähnliche Beschlüsse oder tref-
fen Einleitungen dazu.
5. „ Sechs der verbreitetsten Berliner Zeitungen protestiren über-
einstimmend gegen die Preßordonnanz, die sie für verfassungs-
widrig erklären. Sie erhalten sofort dafür die erste Verwarnung
und werden dem Gerichte überwiesen.
6. „ Rundreise des Kronprinzen in der Provinz Preußen. Die
Stadtverordneten einer ganzen Reihe von Städten der Provinz be-
schließen, unter den obwaltenden Umständen alle Empfangsfeier-
lichkeiten zu unterlassen und auch keine Deputationen an ihn zu
schicken. In Danzig ergreift der Kronprinz die Gelegenheit,
sein Bedauern auszusprechen, daß er zu einer Zeit hergekommen
sei, in welcher zwischen Regierung und Volk ein Zerwürfniß ob-
walte. „Ich habe von den Verordnungen, die dazu geführt haben,
nichts gewußt. Ich war abwesend. Ich habe keinen Theil an den
Rathschlägen gehabt, die dazu führten.“
„ „ Ein Erlaß des Ministers des Innern an sämmtliche Regierungen
verbietet die Berathung von politischen Angelegen-
heiten durch die Stadtverordnetenversammmlungen versammmlungen
und ordnet die strengsten Maßregeln dagegen an. In Königsberg
und anderen Städten wird dem Vorsteher der Stadtverordneten
bei 100 Thlr. Buße verboten, die Berathung einer Adresse oder
dergleichen zuzulassen. In Solingen wird eine Sitzung der Stadt-
verordneten, um über die Lage des Landes zu berathen, vom Land-
rath verhindert. In Cottbus finden die Stadtverordneten, als sie
über eine Adresse berathen wollen, das Sitzungslokal gesperrt. In
Nordhausen erhalten die Stadtverordneten von der Regierung in
Erfurt einen Verweis, weil sie über eine Adresse verhandelt, wenn