Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

chrankreich. 189 
4. Mai. Eine Depesche Drouyn's an den französischen Gesandten in 
London findet die russische Antwort an Frankreich vom 26. April 
„versöhnlich und freundlich". Rußland erkenne den abnormen Cha- 
rakter der polnischen Situation an und glaube, daß die Explicatio- 
nen der drei Höfe zu einem nützlichen Ergebnisse führen können. 
Nur weise Rußland die Bezugnahme auf den Text der Verträge 
von 1845 ab, indem es erklärt, eine Probe nicht wieder beginnen 
zu wollen, welche für Polen und für Rußland die Quelle des Un- 
glückes und für Europa eine Ursache der Unordnung geworden sei. 
Da Frankreich sich nun selbst auf den breiteren Standpunkt der 
allgemeinen Interessen gestellt habe, so habe es nichts dagegen ein- 
zuwenden, dem Fürsten Gortschakoff auf einen minder beschränkten 
Voden zu folgen. 
8. Mai. Schluß der Session des gesetzgebenden Körpers. Ein keiserl. 
9. 
17. 
Dekret verfügt dessen Auflösung und ordnet die Neuwahlen auf den 
31. Mai an. & 
„ Persigny als Minister des Innern richtet ein Rundschreiben an 
sämmtliche Präfecten bezüglich der bevorstehenden Wahlen: 
„.. Gäbe es in Frankreich nur Parteien wie in England, die über 
die Leitung der Geschäfte verschiedener Ansicht, aber alle gleichsehr unseren 
Grundinstitutionen anhänglich sind, so könnte die Regierung sich bei den 
Wahlen darauf beschränken, dem Kampf der verschiedenen Meinungen ruhig 
zuzusehen. Aber in einem Lande wie dem unsrigen, das nach so vielen 
Zuckungen erst seit zehen Jahren ernstlich constituirt ist, könnte das regel- 
mäßig organisirte Parteigetriebe, das bei unsern Nachbarn die öffentlichen 
Freiheiten so fruchtbringend fördert, heute nur erst um den Preis stattfinden, 
daß die Revolution verlängert und die Freiheit gefährdet würde. Denn bei 
uns gibt es Parteien, die erst weiter nichts als Factionen sind. Aus den 
Trümmern der gefallenen Regierungen gebildet und, wiewohl mit jedem Tage 
durch die Zeit, welche sie allein beseitigen kann, geschwächt, suchen sie nur in 
das Herz unserer Institutionen einzudringen, um deren Principien zu fälschen, 
und rufen sie die Freiheit nur an, um sie gegen den Staat zu verwenden. 
Angesichts einer Coalition von Feindseligkeiten, von Gefühlen des Grolls und 
des Aergers, die sich gegen die großen Dinge des Kaiserreichs kehren; ist Ihre 
Pflicht, Herr Präfect, ganz natürlich vorgezeichnet.. Die Abstimmung ist 
frei. Damit aber das aufrichtige Gemüth der Bevölkerungen durch Kunstgriffe 
der Sprache und durch zweideutige Glaubensbekenntnisse nicht hintergangen 
werden könne, so bezeichnen Sie öffentlich die Candidaten, welche der Regie- 
rung am meisten Vertrauen einflößen. Die Bevölkerungen sollen wissen, wer 
die mehr oder weniger verhüllten Feinde des Kaiserreichs sind, und sich mit 
aller Freiheit, aber auch mit vollständiger Sachkenntniß aussprechen. JIch 
lenke Ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes Manöver, das man einfach nur 
der gesunden Einsicht der großen Menge kenntlich zu machen braucht. Die 
Anhänger gewisser Candidaturen scheuen sich nicht, zu behaupten, daß dieselben 
in Ermanglung der Unterstützung der Behörden sich auf allerhöchste Sympa= 
thien berufen könnten, als wenn die Behörden in den Wahlen etwas anderes 
sein könnten, als das Werkzeug des kaiserlichen Gedankens. 
„ Puebla ergibt sich nach dem hartnäckigsten Widerstande endlich 
den Franzosen. (s. Mexico.) 
21. „ Persigny veröffentlicht ein Schreiben an den Präfecten von Paris,
	        
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