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Frankreich.
durch das derselbe angewiesen wird, die Candidatur des Herrn
Thiers in Paris mit allen Mitteln zu bekämpfen:
„Ich beeile mich, Ihren Bericht über die im zweiten Wahlbezirk umlau-
fenden Gerüchte zu beantworten, denen zufolge die Regierung Bedenken trüge,
Herrn Thiers zu bekämpfen, und deßhalb gesonnen wäre, dessen Mitbewer-
ber, Herrn Devinck zurückzuziehen. Ich ermächtige Sie, diese Gerüchte in bün
digster Weise zu dementiren. Wenn Herr Thiers der Größe des neuen Kaiser-
reichs seine Huldigung dargebracht und als Freund unserer Staatseinrichtungen
sich dem allgemeinen Stimmrecht vorgestellt hätte, so würde die Regierung
seinen Wiedereintritt in das öffentliche Leben mit Sympathie aufgenommen
haben. Aber seitdem er eingewilligt hat, in einer Versammlung der alten
Parteien, die ausschließlich von erklärten Feinden des Kaisers und des Kaiser-
reichs gebildet war, zu erscheinen, um sich zu ihrem Vorkämpfer zu machen,
hat er selbst die Aufnahme, welche die Regierung dem berühmten Geschichts-
schreiber des Consulats und des Kaiserreichs zu bereiten geneigt gewesen wäre,
unmöglich gemacht. Ob nun Herr Thiers mit oder ohne Widerwillen vor
das allgemeine Stimmrecht trete, ob er einwillige oder nicht, seine Haltung
zu erklären, es ist kein Zweifel mehr möglich. Er bleibt fortan einer der
Vertreter eines Regierungssystems, das von Frankreich verdammt worden ist,
und das die Regierung deßhalb zu bekämpfen verpflichtet ist. Herr Thiers ist
ein zu rechtlicher Mann, als daß ihn Jemand beschuldigen dürfte, er wolle
einen Eid leisten, den er nicht zu halten beabsichtige. Herr Thiers will aber
die Wiederherstellung eines Regierungssystems, das Frankreich und ihm selber
verderblich geworden ist, eines Regierungssystems, das der Eitelkeit einiger We-
niger schmeichelt und dem Wohle Aller unheilvoll wird, das die Autorität von
ihrer natürlichen Grundlage verschiebt, um sie den Leidenschaften der Tribüne
schutzlospreiszugeben, das die befruchtende Regsamkeit der Action durch die un-
fruchtbare Aufregung des Wortes ersetzt, das achtzehn Jahre hindurch nur
Ohnmacht im Innern, Schwäche nach außen erzeugt, und, entsprungen aus
dem Aufstand, inmitten der Aufstände fortbestanden und in einem Aufstande
sein Ende gefunden hat. Nein, Herr Präfect, Angesichts des vergrößerten
Frankreichs, Angesichts dieses Frankreichs, das erst, seitdem Herr Thiers und
die Seinigen nicht mehr an der Spitze der Geschäfte stehen, zu so großem
Ruhm und Gedeihen gelangt ist, im Schoße dieser großen Stadt, der ruhig-
sten, reichsten und schönsten des Weltalls, wird wahrlich das allgemeine Stimm-
recht gegen die Regierung, welche das Land aus dem Abgrunde gezogen hat,
die h nicht aufstellen, durch deren Schuld das Land in den Abgrund
gerieth.“"
26. Mai. Die Erzbischöfe von Cambray, Tours und Rennes und die Bi-
schöfe von Metz, Nantes, Orleans und Chartres wagen es, eine
Art Wahlmanifest der clericalen Partei zu erlassen:
„. Will man nun wissen, was unsere Meinung als Bürger ist? Wir sind ganz
einfach der Meinung unserer Vernunft, unseres Gewissens, unserer Erfahrung;
und das ist unser Recht. Die Regierung muß geachtet werden; die Regierung
muß controlirt werden. Die Regierung achten: die Vernunft und die Reli-
gion verlangen es; und welches Unglück, welche Verbrechen hat nicht unter
uns die Verachtung und Herabwürdigung der Regierung verursacht? Aber
die Regierung zu controliren ist eine politische und sociale Nothwendigkeit.
Zu welchen Fehlern haben sich nicht die Regierungen hinreißen lassen, die
unbegrenzt und ohne Controle waren? Es ist leicht, mancherlei Systeme der
Controle auszudenken, religiöse Institutionen, Aristokratie, Parlamente, Rechte
der Provinzen und Gemeinden; aber in Wirklichkeit ist in Frankreich augen-
blicklich nur ein einziges großes Mittel der Controle aufrecht geblieben, d. h.
jene Art politischer Freiheit, deren Handlung vorzugsweise vom Wähler und
Erwählten ausgeübt wird. Wir ehren, wir empfehlen die guten und edlen