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ihren polnischen Gutsbesitzern emancipirt und zugleich die finanzielle
Unabhängigkeit der letzteren zerstört, indem sie ganz in die Hände
der russischen Regierung gegeben werden.
15. März. (Polen). Schreiben des Erzbischofs Felinski von Warschau
an den Kaiser:
„Sire! Immer war es die Aufgabe und das Vorrecht der Kirche, in den
Augenblicken großen Unglücks und öffentlichen Leidens die Stimme zu erheben
zu den Mächtigen der Erde. Kraft dieses Vorrechts und dieser Pflicht wage
ich in meiner Eigenschaft als erster Seelenhirt des Königreichs Polen mich
an Ew. Maj. zu wenden, um zu sagen, wessen meine Heerde dringend be-
dürftig ist. Das Blut sließt in Strömen, und die Unterdrückung, statt ein-
zuschüchtern, steigert nur die Erbitterung. Ich flehe Ew. Maj. an, im Namen der
christlichen Liebe und im Namen der Interessen beider Länder, diesem Vertilgungs-
kriege ein Ziel zu setzen. Die von Ew. Maj. verliehenen Institutionen rei-
chen nicht aus, das Glück des Landes zu sichern; Polen wird sich nicht mit
einer Verwaltungs- Autonomie zufrieden geben;z es bedarf politi-
schen Lebens. Sire, ergreisen Sie mit starker Hand die Initiative in der
polnischen Frage, machen Sie daraus eine unabhängige Nation, die mit Ruß-
land nur durch das Band Ihrer erhabenen D rndsnb tie verknüpst ist! Das
ist die einzige Lösung, welche dem Blutvergießen Einhalt zu thun und eine
feste Grundlage zur definitiven Beruhigung des Landes zu schaffen vermag.
Die Zeit drängt. Jeder verlorene Tag reißt den Abgrund zwischen Thron
und Nation weiter auf. Warten Sie nicht, Sire, auf das Ende des Kampfes!
Es ist mehr wahre Größe in der Milde, welche vor dem Blutbade zurück-
weicht, als in einem Siege, welcher ein Königreich entvölkert."
19. „ (Polen). Langiewicz sieht sich genöthigt, auf österreichisches Gebiet
überzutreten. Es wird von der österr. Staatsregierung internirt.
27. „ (Polen). Die geheime Nationalregierung in Warschau übernimmt
wieder die alleinige Leitung der Insurrection und erklärt jede fer-
nere Dictatur für Hochverrath.
30. „ (Polen.) General Graf Berg wird vom Kaiser zum aadlalus
des Großfürsten-Statthalters von Polen ernannt.
31. „ (Litthauen). Eine sogenannte Nationalregierung in Wilna
erläßt ein Manifest und erklärt Litthauen und Rothrußland für
untrennbare Theile Polens.
3./5. April. Die Adelsversammlung des Gourernements St. Petersburg und
die Municipalität von St. Petersburg richten Loyalitätsadressen an
den Kaiser gegen die Ansprüche der polnischen Insurrection, auch
auf „das Erbtheil Rußlands" und gegen „die Möglichkeit“, Ruß-
land Provinzen zu entreißen, welche die alte Wiege russischer Recht-
gläubigkeit und um den Preis von Strömen russischen Blutes dem
gemeinsamen Vaterland einverleibt worden sind.
9. „ (Polen). Die geheime Nationalregierung verbietet die Zahlung
aller Steuern an die russische Regierung und theilt dagegen ihrer=
seits das ganze Land in 23 Kreise mit eigenen Zweigcomite's ein
behufs des Einzugs der Steuern, der Leitung der Recrutirung und
der Handhabung der Strafgesetze.
13. „, Ein kaiserliches Manifest bietet den Polen, um dem bevor-