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Uußland.
seines Gewissens berufen; was die Zukunft betrifft, so richtet sie sich noth-
wendig nach dem Vertrauen, dem seine Absichten in dem Königreich begegnen
werden. Indem er sich auf diesem Boden hält, glaubt unser erhabener Herr
als bester Freund Polens zu handeln, als der einzige, welcher das Ziel seiner
Wohlfahrt auf praktischem Wege verfolgt. Lord Russel fordert Rußland in
seiner Eigenschaft als Glied der europäischen Gesellschaft auf, die hieraus fließen-
den Pflichten der Rücksicht gegen die anderen Staaten zu erfüllen.
Nußland ist zu unmittelbar betheiligt an der Ruhe Polens, um nicht zu würdi-
gen, was ihm seine internationale Stellung anempfiehlt. Es wäre schwer zu
behaupten, daß in dieser Hinsicht Rußland einer scrupulösen Gegenseitigkeit
begegnet wäre. Die permanente Verschwörung, welche sich auswärts or-
ganisirt und bewaffnet, um die Unordnung im Königreiche zu erhalten, ist eine
allgemein notorische Thatsache, deren Mißstände vorzüglich in der moralischen
Wirkung liegen, welche die Leiter des Aufstandes daraus ableiten, um die
friedliche Bevölkerung hineinzuziehen, indem sie die Meinung von einer di-
recten Beihülfe des Auslandes verbreiten. So hat sich ein doppelter, gleich
leidiger Einfluß erzeugt: der, welcher durch die von auswärts kommenden
Aufhetzungen auf den Aufstand geübt wird, und der, welchen die Fortdauer
eben dieses Aufstandes ihrerseits auf die öffentliche Meinung in Europa übt.
Diese beiden Einflüsse wirken auf einander zurück und haben endlich die Lage
herbeigeführt, welche die Mächte jetzt der Aufmerksamkeit des kaiserlichen Ca-
binets empfehlen. Man verlangt von ihm, es solle das Königreich in die
Lage versetzen, einen dauerhaften Frieden zu genießen. Dieser Wunsch ist den
Mächten durch die Ueberzeugung eingeflößt, daß die periodischen Unruhen in
Polen auch in den angrenzenden Staaten eine Erschütterung bewirken, deren
Rückschlag sich in ganz Europa fühlbar macht, daß sie die Geister in einer
beunruhigenden Weise aufregen und, wenn sie sich verlängern, Verwicklungen
der ernsthaftesten Nätur herbeiführen können. Die Regierung Ihrer britischen
Majestät stützt sich außerdem, um dies Verlangen zu begründen, auf die Ver-
träge von 1815, welche das Schicksal der verschiedenen Theile Polens geregelt
haben. Wir stehen micht an, zu erklären, daß diese Wünsche mit denen un-
seres erhabenen Herrn vollständig übereinstimmen. Se. Maj. gibt zu, daß
bei der eigenthümlichen Stellung des Königreichs die Unruhen in demselben
die Ruhe der angrenzenden Staaten stören können, zwischen welchen am
21. April (3. Mai) 1815 die Separatverträge abgeschlossen worden sind,
welche bestimmt waren, das Schicksal des Herzogthums Warschau zu regeln,
und daß sie jene Mächte interessiren können, welche die allgemeine Ueberein-
kunft vom 28. Mai (9. Juni) 1815 unterzeichnet haben, in welche die haupt-
sächlichsten Bestimmungen jener Separatverträge ausgenommen wurden. Der
Kaiser glaubt, daß Erörterungen auf diesen Grundlagen und in dem Geiste
der eben an uns gerichteten Mittheilungen ein den allgemeinen Interessen ent-
sprechendes Ergebniß herbeiführen können.
„Unser erhabener Herr nimmt mit Befriedigung Act von den Gefühlen des
Vertrauens, welche die Regierung Ihrer brit. Maj. ihm bezeugt, indem sie
ihm anheimgibt, dafür zu sorgen, wie das Königreich Polen in eine Lage
zu bringen sei, welche es möglich macht, jene wohlwollenden Absichten zu ver-
wirklichen. Aber je mehr der Kaiser geneigt ist, den gegründeten Besorgnissen
der angrenzenden Staaten und der Theilnahme Rechnung zu tragen, welche
die Unterzeichner der Verträge von 1815 einem Zustand widmen, der für Se.
Maj. selbst ein Gegenstand lebhafter Besorgnisse ist, um so mehr betrachtet es
unser erhabener Herr als seine Pflicht, die ernste Aufmerksamkeit der Höfe, die
sich mit Vertrauen an ihn gewendet haben, auf die wahren Ursachen dieser
Lage und auf die Mittel zu lenken, wodurch ihr abzuhelfen wäre. Wenn die
Regierung J. brit. Maj. den Rückschlag hervorhebt, welchen die Unruhen in
Polen auf die Ruhe Europas üben, so müssen wir. noch mehr überrascht sein
von dem Einfluß, welchen die Aufreizungen Europas von jeher in der Lage