Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

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Uußland. 
seines Gewissens berufen; was die Zukunft betrifft, so richtet sie sich noth- 
wendig nach dem Vertrauen, dem seine Absichten in dem Königreich begegnen 
werden. Indem er sich auf diesem Boden hält, glaubt unser erhabener Herr 
als bester Freund Polens zu handeln, als der einzige, welcher das Ziel seiner 
Wohlfahrt auf praktischem Wege verfolgt. Lord Russel fordert Rußland in 
seiner Eigenschaft als Glied der europäischen Gesellschaft auf, die hieraus fließen- 
den Pflichten der Rücksicht gegen die anderen Staaten zu erfüllen. 
Nußland ist zu unmittelbar betheiligt an der Ruhe Polens, um nicht zu würdi- 
gen, was ihm seine internationale Stellung anempfiehlt. Es wäre schwer zu 
behaupten, daß in dieser Hinsicht Rußland einer scrupulösen Gegenseitigkeit 
begegnet wäre. Die permanente Verschwörung, welche sich auswärts or- 
ganisirt und bewaffnet, um die Unordnung im Königreiche zu erhalten, ist eine 
allgemein notorische Thatsache, deren Mißstände vorzüglich in der moralischen 
Wirkung liegen, welche die Leiter des Aufstandes daraus ableiten, um die 
friedliche Bevölkerung hineinzuziehen, indem sie die Meinung von einer di- 
recten Beihülfe des Auslandes verbreiten. So hat sich ein doppelter, gleich 
leidiger Einfluß erzeugt: der, welcher durch die von auswärts kommenden 
Aufhetzungen auf den Aufstand geübt wird, und der, welchen die Fortdauer 
eben dieses Aufstandes ihrerseits auf die öffentliche Meinung in Europa übt. 
Diese beiden Einflüsse wirken auf einander zurück und haben endlich die Lage 
herbeigeführt, welche die Mächte jetzt der Aufmerksamkeit des kaiserlichen Ca- 
binets empfehlen. Man verlangt von ihm, es solle das Königreich in die 
Lage versetzen, einen dauerhaften Frieden zu genießen. Dieser Wunsch ist den 
Mächten durch die Ueberzeugung eingeflößt, daß die periodischen Unruhen in 
Polen auch in den angrenzenden Staaten eine Erschütterung bewirken, deren 
Rückschlag sich in ganz Europa fühlbar macht, daß sie die Geister in einer 
beunruhigenden Weise aufregen und, wenn sie sich verlängern, Verwicklungen 
der ernsthaftesten Nätur herbeiführen können. Die Regierung Ihrer britischen 
Majestät stützt sich außerdem, um dies Verlangen zu begründen, auf die Ver- 
träge von 1815, welche das Schicksal der verschiedenen Theile Polens geregelt 
haben. Wir stehen micht an, zu erklären, daß diese Wünsche mit denen un- 
seres erhabenen Herrn vollständig übereinstimmen. Se. Maj. gibt zu, daß 
bei der eigenthümlichen Stellung des Königreichs die Unruhen in demselben 
die Ruhe der angrenzenden Staaten stören können, zwischen welchen am 
21. April (3. Mai) 1815 die Separatverträge abgeschlossen worden sind, 
welche bestimmt waren, das Schicksal des Herzogthums Warschau zu regeln, 
und daß sie jene Mächte interessiren können, welche die allgemeine Ueberein- 
kunft vom 28. Mai (9. Juni) 1815 unterzeichnet haben, in welche die haupt- 
sächlichsten Bestimmungen jener Separatverträge ausgenommen wurden. Der 
Kaiser glaubt, daß Erörterungen auf diesen Grundlagen und in dem Geiste 
der eben an uns gerichteten Mittheilungen ein den allgemeinen Interessen ent- 
sprechendes Ergebniß herbeiführen können. 
„Unser erhabener Herr nimmt mit Befriedigung Act von den Gefühlen des 
Vertrauens, welche die Regierung Ihrer brit. Maj. ihm bezeugt, indem sie 
ihm anheimgibt, dafür zu sorgen, wie das Königreich Polen in eine Lage 
zu bringen sei, welche es möglich macht, jene wohlwollenden Absichten zu ver- 
wirklichen. Aber je mehr der Kaiser geneigt ist, den gegründeten Besorgnissen 
der angrenzenden Staaten und der Theilnahme Rechnung zu tragen, welche 
die Unterzeichner der Verträge von 1815 einem Zustand widmen, der für Se. 
Maj. selbst ein Gegenstand lebhafter Besorgnisse ist, um so mehr betrachtet es 
unser erhabener Herr als seine Pflicht, die ernste Aufmerksamkeit der Höfe, die 
sich mit Vertrauen an ihn gewendet haben, auf die wahren Ursachen dieser 
Lage und auf die Mittel zu lenken, wodurch ihr abzuhelfen wäre. Wenn die 
Regierung J. brit. Maj. den Rückschlag hervorhebt, welchen die Unruhen in 
Polen auf die Ruhe Europas üben, so müssen wir. noch mehr überrascht sein 
von dem Einfluß, welchen die Aufreizungen Europas von jeher in der Lage
	        
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