Rußland. 253
waren, auf die Ruhe Polens zu üben. Seit 1815 hat sich in diesem Land
ein bis dahin in dessen Geschichte unbekannter materieller Wohlstand entwickelt.
während andere Staaten in demselben Zeitraum manche innere K Krisen durch-
gemacht haben. Die Ruhe ist im Jahr 1830 nur in Folge des von aus-
wärts gekommenen Anstoßes gestört worden; achtzehn Jahre später, im Jahre
1848, als fast ganz Europa von der Revolution zerrüttet war, hat das Kö-
nigreich Polen Frine Ruhe zu wahren gewußt. Wir sind überzeugt, es würde
jetzt eben so sein, ohne die fortwährenden Aufhetzungen der kosmopolitischen
Revolutionspartei; wenn diese Partei, die überall auf den Umsturz der Ord-
nung ausgeht, ihre Thätigkeit gegenwärtig auf Polen concentrirt, so würde
man einen schweren Irrthum begehen, wollte man annehmen, daßt ihr Dichten
und Trachten nicht über diese Grenze hinausgeht. Was sie sucht, das ist ein
Hebel, um auch den Rest Europas umzustürzen.
„Die Cabinette, welche Werth darauf legen, daß das Königreich Polen bal-
digst wieder zu einem dauerhaften Frieden gelangt, würden daher die Ver-
wirllichung dieses Wunsches nicht besser sichern können, als indem sie ihrer-
seits darauf hinarbeiten, die moralische und materielle Unordnung zu besei-
tigen, die man sich in Europa zu verbreiten bemüht und so die Hauptquelle
der Agitationen zu verstopfen, worüber ihre Vorsicht sich- beunruhigt. Wir
hegen die feste Hofsnung, daß, wenn sie in diesem Geist die Bande fester
knüpfen, welche sie vereinigen, sie der Sache des Friedens und der allgemeinen
Interessen einen wirksamen Dienst leisten werden.“
Antwort an Frankreich: „ „Die franz. Regierung weist auf den
Rückschlag dieser Auf lregunge n auf die benachbarten Staaten und auf die
Beängstigung hin, welche dieselben in dem übrigen Europa hervorrufen. ..
Aber es wäre wünschenswerth, sich gerade über die Wahl der zweckdienlichen
Mittel zu verständigen. Der Herr Minister der auswärtigen Angelegenheiten
von Frankreich erkennt die Tiefe des Uebels und die Ohnmacht der Combi-
nationen an, die bis jetzt erdacht wurden, um Polen mit der ihm gemachten
Lage auszusöhnen. Es ist dies ein Grund mehr, die Erfahrungen nicht wieder
von neuem anzufangen, die eine Quelle von Unglück für Polen und Ruß-
land, eine Ursache von Unruhen für Europa gewesen sind und aller Wahr-
scheinlichkeit nach wiederum zu denselben Ergebnissen führen würden. Das
Uebel, an dem gegenwärtig das Königreich leidet, ist keine vereinzelte Erschei-
nung. Ganz Europa ist davon befallen. Die revolutionären Bestrebungen, die
Geißel der heutigen Zeit, ziehen sich in diesem Lande zusammen, weil sie
darin Zündstoff genug finden, um dasselbe zum Heerde eines Brandes zu
machen, der sich über das gesammte Festland ausbreiten würde. Die Regie-
rungen, deren Aufgabe die Heilung dieses Uebels ist, können darum nicht
genug Achtsamkeit, Klugheit und Schonung verwenden, um die Elemente, die
als gemeinschaftliche Gefahr beseitigt werden müssen, von denen zu unter=
scheiden, die durch eine beharrlich und reiflich verfolgte Entwicklung zur Be-
gründung einer dauerhaften Zukunft dienen können. Unser erhabener Gebieter
widmet sich diesem Werke, das mit dem andern von Sr. Maj. seit Ihrer
Thronbesteigung versolgten in Zusammenhang steht, um alle Theile seines
Reiches auf die Bahn eines regelmäßigen Fortschritts einzuführen. Ich habe
die Pläne unseres erhabenen Souveräns in der beigefügten Depesche nieder-
gelegt, welche ich als- Antwort auf eine mit der Depesche des Herrn Drouyn
de Chuys analoge Mittheilung der Regierung Ihrer britischen Maj. an den
Gesandten Sr. russ. Maj. in London gerichtet habe. Auf Befehl des Kaisers
ist Ew. Excellenz angewiesen, dem Herrn Minister der auswärtigen Ange-
legenheiten Frankreichs eine Abschrift dieses Actenstücks einzuhändigen. Er
wird daraus ersehen, welchen Antheil unserer Ansicht nach die Regierung des
Kaisers Napoleon daran nehmen kann, die Verwirklichung des von ihr im
Namen der Menschlichkeit und der beständigen Interessen Europas uns aus-
gedrückten Wunsches zu beschleunigen. Sie wird gewiß erkennen, daß, während