Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

254 Rußland. 
die Elemente der kosmopolitischen Revolution über beinahe alle Länder ver- 
breitet sind, und von allen Seiten, nach allen Punkten, wo sich Aussicht auf 
Unordnung und Umsturz bietet, zusammenströmen, die Sorge der Wiederher= 
stellung der Ruhe und des Friedens nicht den Bemühungen einer einzigen 
Regierung überlassen bleiben darf, und daß durch das Verlangen, wir möchten 
einen Brand löschen, der auswärts unerschöpfliche Nahrung findet, die Frage in 
einen Zirkel ohne Ausgang kommen würde.. 
Antwort an Oesterreich: „ . Der Herr Minister der auswärtigen 
Angelegenheiten Oesterreichs wird sicherlich nicht verkennen, daß die Rückkehr 
des Königreichs Polen zu den Bedingungen eines dauerhaften Friedens nicht 
bloß von den inneren Maßregeln abhängt, welche zu diesem Behuf in Anwen- 
dung gebracht werden können. Wir glauben nicht erst nöthig zu haben, ihn 
hinzuweisen auf die einwirkende, von der Partei der europäischen Revolution 
organisirte permanente Verschwörung, welche die Hauptquelle dieser Bewegun- 
gen ist. Die auswärtigen Regierungen, welche sich für die Beruhigung Polens 
interessiren, aus Rücksicht auf den Einfluß, den der Zustand dieses Landes 
berusen ist, auf die Nuhe-. Europa's auszuüben, können viel thun, um diese 
Ursache der Unordnung, deren Gegenstoß schließlich sie selbst berühren würde, 
zu beseitigen; so lange dieselbe besteht, wird sie in jedem Falle die Wirkung 
haben, den Erfolg der Bemühungen zu durchkreuzen, welchen wir zu dem 
Zwecke uns hingeben, die Ruhe wieder herzustellen, deren jenes. Land und 
die benachbarten Staaten gleicherweise bedürfen. Wir hegen die feste Ueber- 
zeugung, daß zu seinem Theile das Wiener Cabinet, indem es in der Haltung 
verharrt, welche es von Beginn der gegenwärtigen Bewegung an angenommen 
hat, nichts verabsäumen wird, um jenen gefährlichen Umtrieben Maßregeln 
entgegenzusetzen, die eben so entsprechend seinen eigenen Interessen als den 
internationalen Beziehungen zu Rußland sind.“ 
27. April u. 13. Mai. (Polen.) Die russische Regierung legt im wesent- 
lichen die ganze Verwaltung des Königreichs in die Hände des 
Militärs und unterstützt dasselbe durch Organisirung einer Art 
Bauern-Polizei. 
29. April. Geburtstag des Kaisers. Derselbe empfängt zahlreiche Depu- 
tationen des Moskauer Adels, der Stadt und der Universität Mos- 
kau, der Moskauer Altgläubigen, der Städte Twer, Zaroslaw, 
Wladimir 2c., sowie die Adelsmarschälle von Nowgorod, Twer, 
Esthland, Livland und Kurland. Ansprache des Kaisers an diese 
Deputationen: 
„Ich danke Ihnen, besonders für den Ausdruck Ihrer patriotischen Ge- 
fühle, welche durch die Unruhen im Königreiche Polen und den westlichen 
Gouvernements und den Anspruch unserer Feinde auf alten russischen Besitz 
hervorgerufen sind. Ihre Adressen und diejenigen, welche Ich täglich aus allen 
Ständen und aus allen Gouvernements erhalte, bilden inmitten aller Meiner 
Sorgen einen wahren Trost für Mich. Ich bin auf die Einheit dieser Gefühle 
mit Ihnen und für Sie stolz. Sie bilden unsere Kraft, und solange sie er- 
halten bleiben, und wir Gott um Hülfe bitten, wird er uns nicht verlassen 
und die Einheit des russischen Reichs unerschüttert bleiben. Unsere Feinde 
haben geglaubt uns veruneinigt zu finden, aber sie haben sich getäuscht. Bei 
dem Gedanken allein an die uns drohende Gefahr haben sich alle Stände 
des russischen Reichs um den Thron vereinigt, und ihrem Czaren das Ver- 
trauen gezeigt, welches ihm über alles theuer ist. Ich verliere noch nicht die 
Hoffnung, daß es nicht zum allgemeinen Krieg kommen wird; aber wenn er 
uns beschieden ist, so bin Ich überzeugt, daß wir mit Gottes Hülfe die 
Gränzen des Reichs und die mit diesem untrennbar verbundenen Gebiete zu 
vertheidigen wissen werden.“
	        
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