Deutschland. 25
k. Regierung verhindert, derselben näher zu treten, sondern auch durch die
materielle Untauglichkeit und Halbheit der Vorschläge selbst. Ausschüsse der
Landesvertretungen mit so beschränkten berathenden Befugnissen, wie die be—
antragten, würden nach Ansicht der k. Regierung eine practisch ganz bedeutungs-
lose Einrichtung sein, nur geeignet, dem Geschäftsgange der Bundesverhand-
lungen ein neues Moment der Schwerfälligkeit und Verschleppung zuzuführen.
Nur in einer Vertretung, welche nach Maßgabe der Bevölkerung
jedes Bundesstaates aus letzterer durch unmittelbare Wahl hervorgeht,
kann die deutsche Nation das berechtigte Organ ihrer Einwirkung auf die
gemeinsamen Angelegenheiten finden. Innerhalb der bestehenden Bundes-
verträge und nach der bisherigen Praxis würde aber einer solchen, der
Bundesversammlung beizugebenden Volksvertretung eine practische Thätigkeit
nur auf dem Gebiete der Matricularleistungen an Truppen und Geldbeiträgen
zufallen. Um ihr einen befriedigenden Wirkungskreis und zugleich eine er-
höhte Bedeutung für die Einigkeit und Festigkeit des Bundes zu gewähren,
würde dem neutralen Organismus durch Abänderung und Erneuerung
der Bundesverträge die dem jetzigen Bundestag fehlende gesetzgebende
Gewalt für das Bundesgebiet beigelegt und deren Umfang in einer der
Thätigkeit eines deutschen Parlaments würdigen Ausdehnung bemessen werden
müssen. Wenn eine solche, nach der Volkszahl bemessene Nationalvertretung
mit Rechten ausgestattet würde, welche sie befähigten, der die Bundes-
regierungen vertretenden Centralbehörde als Gleichgewicht an die Seite zu
treten, so würde die k. Regierung einer so gestalteten Bundesgewalt ausge-
dehntere Befugnisse einräumen können, ohne die Interessen Preußens zu
gefährden. Es fragt sich nur, ob die Schwierigkeiten überwunden werden
können, welche in dem Umstande beruhen, daß erhebliche Theile des Bundes-
gebietes zu staatlicher Einheit mit Ländern verbunden sind, welche nicht zum
Bunde oder zu Deutschland gehören, und deren Bewohner nach den Ver-
trägen sowohl als nach ihrer Nationalität, ihrer Sprache und ihrer Neigung
sich zur Betheiligung an einer deutschen Nationalvertretung nicht eignen,
während ihnen ebensowenig zugemuthet werden kann, ihre Gesetzgebung aus
den Händen einer ihnen fremden Volksvertretung zu empfangen. Dieses
Hinderniß steht allen auf die Gesammtheit des Bundes berechneten Einrich-
tungen im Wege, sobald dieselben eine wirklich eingreifende und fruchtbare
Mitwirkung des deutschen Volkes bei den gemeinsamen Angelegenheiten sich
zur Aufgabe stellen, und das Institut der Delegirtenversammlung würde nur
in soweit nicht darunter leiden, als es zu einer practischen Bedeutung über-
haupt nicht gelangte. Könnten die Schwierigkeiten gelöst werden, so würden
sich die Bedenken heben, welche die k. Regierung abhalten, für die von ihr
erstrebten Reformen das gesammte Bundesgebiet in Aussicht zu nehmen.
So lange aber diese Lösung nicht gefunden wird, läßt sich dem gestellten
Ziele nicht dadurch näher treten, daß man das vorhandene Reformbedürfniß
für die Gesammtheit des Bundes scheinbar, sondern nur dadurch, daß
man es in engerem Kreise wirklich zu befriedigen sucht. In diesem Sinne
hat die k. Regierung den Weg freier Vereinbarungen und künd-
barer Verträge unter den einzelnen Bundesgliedern als Surrogat allge-
mein umfassender Einrichtungen angedeutet, und gibt die Hoffnung nicht auf,
daß der Ueberzeugung von der Richtigkeit desselben auch die Anerkennung
der übrigen Bundesregierungen auf die Dauer nicht fehlen werde.“
Votum Kurhessens: „Die kurfürstliche Regierung ist bei Stellung
des Antrags vom 14. August v. J. von der Voraussetzung ausgegangen, daß
die Einführung von Delegirtenversammlungen als Bundessache, nicht bloß in
Folge einer Vereinbarung unter einzelnen Regierungen stattfinden solle; da
jedoch schon jetzt als feststehend anzunehmen ist, daß eine solche Einführung
der fraglichen Versammlungen, wozu unzweifelhaft Stimmeneinhelligkeit er-
forderlich ist, nicht eintreten kann, hiernach ein weiteres Vorschreiten in dieser