Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

Januar bis März 1864. 351 
der Verfassung vom 18. November fest, und will diese Verfassung, gegen 
welche Deutschland protestirt, und die im Widerspruch mit den von Dänemark 
übernommenen Verpflichtungen steht, in Schleswig eingeführt wissen. Um 
der Fortdauer eines solchen irregulären Zustandes der Dinge Widerstand ent- 
gegenzustellen, war der Bund im Begriffe, Schleswig mit Truppen zu über- 
ziehen, wenn Preußen und Oesterreich sich nicht beeilt hätten, dem Bunde in 
ihrer Eigenschaft als europäische Mächte, welche von Dänemark die Erfüllung 
gewisser, von der Succession in den Herzogthümern unabhängiger Verpflich- 
tungen zu fordern hatten, zuvorzukommen. Wenn Oesterreich und Preußen 
nicht rasch ihre Action an Stelle derjenigen der deutschen Mittelstaaten gesetzt 
hätten, wenn die Leitung der Angelegenheiten in die Hände der Partei über- 
gegangen wäre, welche die dänische Monarchie zerstückeln will, so 
würden die Feindseligkeiten um nichts weniger in Schleswig ausgebrochen sein; 
die Tragweite des Kriegs würde außerdem größer gewesen sein, und die 
Mächte, welche sich für die Erhaltung der dänischen Monarchie interessiren, 
hätten sich Verwickelungen gegenüber gesehen, die für das Gleichgewicht im 
Norden Europa“'s viel drohender gewesen sein würden. Die militärische In- 
tervention Oesterreichs und Preußens hat diese Gefahr vorläufig in den Hin- 
tergrund gedrängt; sie würde dieselbe ganz beseitigt haben, wenn die Mächte 
den letzten Eröffnungen der beiden deutschen Großmächte Rechnung getragen 
und Dänemark nicht in seinem Widerstande ermuthigt hätten. Es hängt so- 
mit von den nichtdeutschen Mächten ab, zur Beruhigung der erhitzten Leiden- 
schaften in Deutschland beizutragen und den Conflict mit Dänemark auf dem 
Boden zu erhalten, wo er sich gegenwärtig befindet. Oesterreich und Preußen 
werden dann ihrerseits desto leichter dahin gelangen, sich nicht von der 
in Deutschland herrschenden Bewegung überfluthen zu lassen 
— eine Aufgabe, die immer schwieriger wird, je länger der Streit sich hin- 
auszieht. Die Berathungen des Bundestages zeigen außerdem zur Genüge, 
welche Anstrengungen die Höfe von Wien und Berlin machen müssen, um 
ihre Bundesgenossen zu verhindern, dem Streite ernstere Dimensionen zu geben.“ 
20. März. (Frankreich) erklärt, auf der Conferenz den „Wunsch der 
Bevölkerung“ als Grundlage eines Abkommens vorschlagen zu wollen: 
Depesche Drouyn de Lhuys an den Gesandten in London: 
„ . Ich wünsche, daß Sie vor einer Theilnahme an der Conferenz dem 
Londoner Cabinet die Jdeen und Empfindungen kundgeben, mit denen wir 
an dieselbe herantreten. .. .Wir sind fern davon, die Weisheit der Combi- 
nation zu bestreiten, welche unter die Obhut des öffentlichen Rechts Europa's 
zu stellen der Gegenstand des Londoner Vertrags war, und wenn wir, von 
der Opposition Deutschlands und den Kundgebungen der Herzogthümer ab- 
sehend, nur den Eingebungen unserer traditionellen Sympathien für Dänemark 
folgen dürften, würden alle unsere Anstrengungen dahin gehen, diesen Vertrag 
aufrecht zu erhalten. Aber es ist uns nicht gestattet, die Hindernisse zu ver- 
kennen, welche sich der reinen und einfachen Ausführung des Vertrags von 
1852 entgegenstellen. Wenn der Londoner Vertrag für einige Mächte eine 
gesonderte Existenz und eine Autorität besitzt, die ihm unabhängig von den 
zwischen Deutschland und Dänemark in der nämlichen Zeit eingegangenen Ver- 
bindlichkeiten anhaftet, ist er hingegen für andere Mächte eben jenen Verbind- 
lichkeiten unterworfen, von denen er sich nicht trennen läßt. Unter den deut- 
schen Staaten haben die einen ihre Beistimmung zu demselben verweigert oder 
sie nur in eingeschränkter Form ertheilt, die andern haben ihm früher zuge- 
stimmt, erklären sich aber gegenwärtig von ihm entbunden. Der deutsche Bund 
endlich scheint den Werth einer Acte zu bestreiten, an welcher er nicht theil- 
genommen hat. Angesichts dieser Verschiedenhejt der Auffassungen, welche un- 
übersteigliche Hindernisse zu schaffen droht, scheint es mir unerläßlich, die durch 
den gegenwärtigen Krieg berührten Interessen zu prüfen, ohne sich ausschließ-
	        
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