Preuͤfen.
380 Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1863.
Beschlüsse der Abgeordneten. So lange er das Vertrauen des Königs
besaß, hatte er die Macht in Händen und war entschlossen, sie zu brau-
chen. Doch war er genöthigt, sich möglichst innerhalb der Formen der
Verfassung zu halten, da der König zu einer offenen und directen Ver-
letzung derselben die Hand zu bieten nicht gewillt war. Daß dieses Ab-
geordnetenhaus indeß zu einer Verständigung mit der Regierung, d. h. zu
einer principiellen Unterwerfung unter ihre Forderungen sich nimmermehr
verstehen werde, lag außer Zweifel. Die Auflösung desselben und die
Anordnung von Neuwahlen, sobald der Moment dazu günstiger wäre,
wurde daher schon jetzt ins Auge gefaßt und vorbereitet. Einem Um-
schwunge im Sinne der feudalen Partei stand indeß vor allem die Presse
der Fortschrittspartei im Wege, die „ihren vergistenden Einfluß auf die
öffentliche Stimmung“, täglich und stündlich in Tausenden von Blättern
in alle Schichten der Gesellschaft ergoß und denen die feudale Partei mit
vergeblicher Mühe auf demselben Wege entgegenzuarbeiten versucht hatte.
Kaum war daher der Landtag entlassen, so fiel ein vernichtender Schlag
gegen jene Presse: eine Ordonnanz der Regierung beseitigte die Preß-=
freiheit, „da die Einwirkung der Justizbehörden auf Grund des Preß-
gesetzes vom 12. Mai 1851 und des Strafgesetzbuches sich als unzu-
reichend erwiesen hätten, um die Ausschreitungen der Presse erfolgreich zu
hindern“, führte das Verwarnungssystem ein und ertheilte den Verwal-
tungsbehörden die Befugniß, Zeilungen und Zeitschriften zeitweise oder
dauernd zu verbieten und zwar nichk bloß wegen einzelner straffälliger
Artikel, sondern auch um ihrer „Gesammthaltung“ willen, indem offen
eingestanden wurde, daß „oft ganze Artikel für sich nicht die Handhabe=
„zu gerichtlicher Verfolgung, nicht den Thatbestand einer strafbaren Hand-
„lung, wie ihn der Richter seiner Rechtssprechung zu Grunde legen müsse,
„darböten"“. Die ganze Presse des Landes war damit dem Belieben
der Regierung und ihrer Organe überantwortet und die gesammte Oppo-
sitionspresse hatte nur die Wahl, entweder unterdrückt zu werden oder sich
selbst zum Schweigen zu verurtheilen. Die Ordonnanz entsprach indeß
dem Buchstaben der Verfassung, die in Nolhfällen der Regierung eine
gewisse discretionäre Gewalt überträgt, wenn der Landtag gerade nicht
versammelt ist und bis zum Wiederzusammentritt derselben. Allein es
war zum mindesten zweifelhaft, ob jene Bestimmung auch auf die ver-
fassungsmäßig garantirte Preßfreiheit Anwendung finden dürfte, ein plötz-
lich eingetretener Nothfall lag jedenfalls nicht vor, endlich war der Land-