Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1863. 389 
unbekannt gebliebenen Entwurf vor. In seiner Eröffnungsrede verhehlte Deutfs- 
es der Kaiser nicht, daß er seinerseits nicht „weitaussehende Berathungen“ " 
wünsche, sondern es lieber sähe, wenn die Fürsten „in einem raschen und 
einmüthigen Entschlusse“ den Entwurf sofort auch zum Beschlusse erhöben. 
Doch dazu konnten sich dieselben nicht verstehen. Der König von Bayern, 
der dem Kaiser antwortete, betonte vielmehr sofort, daß er die Vorschläge 
in „gewissenhafte Erwägung“ ziehen werde und sprach bereits von „Mo- 
disicationen“ derselben. Immerhin wurden sie einmüthig für eine „ge- 
eignete Grundlage“ weiterer Verhandlungen anerkannt. 
Die Hauptbestimmungen des Entwurfes gingen dahin, den Bundes- 
zweck auf die Wahrung nicht bloß der Sicherheit, sondern auch der Macht- 
stellung Deutschlands nach außen auszudehnen, als neue Organe des 
Bundes die Leitung der Angelegenheiten einem Directorium zu übergeben 
und demselben einen aus den Bevollmächtigten der Regierungen gebildeten 
Bundesrath an die Seite zu setzen, während periodisch eine Versammlung 
von Bundesabgeordneten einberufen werden und ebenso periodisch eine Ver- 
sammlung der Fürsten zusammentreten, endlich ein Bundesgerichtshof ge- 
bildet werden sollte. Was die Ausführung dieses Organismus im Ein- 
zelnen betrifft, so sollte das Directorium aus dem Kaiser von Oesterreich, 
dem Könige von Preußen, dem Könige von Bayern und zweien der am 
8., 9. und 10. Bundesarmeccorps betheiligten Souveränen, der Bundes- 
rath aber aus den Bevollmächtigten der bisherigen 47 Stimmen des engern 
Rathes der Bundesversammlung bestehen, dech Oesterreich und Preußen 
darin statt 1 je 3 Stimmen führen, die Gesammtzahl der Stimmen also 
auf 21 erhöht werden. Die Bundesabgeordneten sollten nur alle drei Jahre 
zusammentreten, in der Zahl von 300 zu zwei Drittheilen aus den zweiten, 
zu einem Drittheil aus den ersten Kammern der Ständeversammlungen 
durch Delegation hervorgehen und mit beschließender Stimme an der ge- 
setzgebenden Gewalt des Bundes mitwirken; die Fürstenversammlung end- 
lich sollte in ihren Verhandlungen den Charakter freier Verständigung 
gleichberechtigter Souveränc tragen, aber ein Beschluß derselben nicht auf- 
gehalten werden können, wenn die bejahenden Stimmen das im Bundes- 
rathe je nach der Natur des Gegenstandes vorgeschriebene Stimmverhältniß 
erreiche. Seine eigene Stellung hatte Oesterreich dadurch gewahrt, daß 
es sich den Vorsitz im Directorium und im Bundesrathe vorbehielt und 
seine Interessen namentlich auch dadurch, daß, während zu einer förmlichen 
Kriegserklärung des Bundes ein im Bundesrath mit zwei Drittheilen der
	        
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