Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

Utbersicht der Ertignisse des Jahres 1863. 427 
langen, das er, das sein Volk, das die Nation sich gesteckt hatten und Deusc 
das sie nur erreichen konnten; wenn sie ebenso vorsichtig wie entschlossen 
demselben zustrebten. » 
Der kühnste, aber zugleich, wenn die deuische Nation einig war, 
sicherste Weg — Napoleon und die Franzosen hätten ihn untex ähnlichen 
Umständen ohne Zweifel, ohne auch nur einen Augenblick anzustehen, 
eingeschlagen und höchst wahrscheinlich nach kurzem Cntscheidungskampfe 
ihr Ziel erreicht, ohne daß weiter in Europa auch nur ein Schuß gefal- 
len, ein Schwert aus der Scheide gefahren wäre — war durch die Stel- 
lung, welche die beiden deutschen Großmächte in der Frage einnehmen zu 
müssen glaubten, vereitelt worden. Sie wollten einen allgemeinen Krieg 
vermeiden und trieben ihm allem Anschein nach gerade entgegen. Wäh- 
rend alle Blicke nach Norden gerichtet waren, begann es sich auch, obwohl 
noch leise, im Süden zu regen. Die ital. Frage, deren Lösung seit 1859 Stalien. 
ganz Europa beschäftigt hatte, war seit dem Ende des Jahres 1862 ganz 
zurückgetreten. Sie lag in der Hand des Kaisers der Franzosen, und lange 
hatte er durch seine Haltung gegenüber Rom den Italienern die Hoffnung 
gewährt, wenigstens die röm. Frage durch ihn in irgend welcher Weise nach 
ihren Interessen gelöst zu sehen, bis er fast plötzlich den Faden abschnitt, 
die Frage umkehrte und statt wie bisher Rom nunmehr Italien zu Vorschlä- 
gen bezüglich einer Ausgleichung der zwischen beiden schwebenden Disse- 
renzen aufforderte. Die Regierung des Königs Victor Emanuel lehnte 
es ihrerseits ab, solche Vorschläge zu machen, worauf die Frage vorerst 
gänzlich ruhte, Rom von weiteren Zumuthungen Frankreichs verschont 
blieb und seine gefährdete Existenz wie bisher fortfristen konnte. JIlalien, 
von Frankreich solchergestalt im Stiche gelassen, blieb auf sich selber be- 
schränkt und mochte seine Lage ruhig in Ueberlegung ziehen. Groß ge- 
nug, sich selber zu genügen, war die Aufgabe, die ihm von der Sachlage 
selbst gestellt war, so mannigfaltig und so schwierig, um es hinreichend 
zu beschäftigen. Durch den Krieg von 1859 der Uebermacht Oester- 
reichs entledigt und durch die Lombardei vergrößert hatte Sardinien im 
Jahre 1860 die Verhältnisse benützt, um mit rascher Thatkraft Toscana 
und die Herzogthümer, den größten Theil des Kirchenstaates, Neapel und 
Sicilien mit sich zu vereinigen und sich zum Königreich Italien emporzu- 
schwingen. Es galt jetzt, das schnell Gewonnene zu sichern. Und diese 
Aufgabe war nicht leicht. Wenn die Einheit Italiens eine Wahrheit sein 
sollte, so mußte sie in der Gesetzgebung und Verwaltung durchgeführt und
	        
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