Deutschland. 53
Gesammtinteressen Deutschlands angemessener als bisher vermitteln, so wird
die Erschütterung des Vertrauens auf die Bundesverträge das
einzige Ergebniß der Eröffnungen bleiben, welche die kaiserliche Regierung
ihren Bundesgenossen gemacht hat. Jedenfalls entnehmen wir für jetzt aus
derselben das Recht und die Pflicht, Klarheit darüber zu verlangen: ob
Oesterreich und die Staaten, welche auf die motivirte Einladung des kaiser-
lichen Hofs an dem Congreß in Frankfurt theilnehmen, die vertragsmäßigen
Bundespflichten rückhaltlos anerkennen oder nicht. Es ist einleuchtend, daß
die Entscheidung hierüber von dem wesentlichsten Einfluß auf die maßgeben-
den Grundlagen unserer Gesammtpolitik sein muß."
14. Aug. (Fürstencongreß). Eine weitere preußische Depesche an
den preußischen Gesandten in Wien theilt demselben den Verlauf
der österr. Einladung an Preußen zum Fürstencongreß mit und
bemerkt dazu:
„ . . . Mir scheint es, daß Vorschläge, welche tief in die gemeinsamen
Interessen sämmtlicher Bundesstaaten einzugreifen bestimmt sind, wenn sie
Erfolg haben sollen, nicht von einer der Bundesregierungen einseitig vor-
bereitet, und in einer für die andern überraschenden Weise bis zu dem
Stadium schleuniger Beschlußnahme durch die Souveräne selbst gefördert
werden können. Ich halte es der Würde des Königs, meines allergnädigsten
Herrn, nicht entsprechend, sich nach Frankfurt zur Entgegennahme von Vor-
schlägen in Bundesangelegenheiten zu begeben, über welche der Rath Preußens
nicht vorher gehört ist, und deren volle Tragweite Sr. Majestät erst in
Frankfurt eröffnet werden soll. Um solche Fragen zur persönlichen Ent-
scheidung der Monarchen reif zu machen, war es unerläßlich, sie vor-
her in diplomatischen Verhandlungen oder Ministerialconferenzen zu er-
örtern. Ich weiß nicht, auf welche Erfahrungen die kais. Regierung den in
dem zweiten Promemoria enthaltenen Ausspruch stützt, daß der Weg bloßer
ministerieller Conferenzen sich noch jedesmal als unpraktisch erprobt habe,
und daß das schon so oft gescheiterte Experiment weitaussehender Berathungen
begreiflicher Weise nicht wiederholt werde. Unseres Wissens ist die Bundes-
reformfrage seit den Dresdener Conferenzen einer derartigen Berathung nicht
unterzogen worden. Eine allerhöchste Meinungserklärung über die beabsich-
tigten Reformvorschläge zu erbitten, liegt für mich keine Veranlassung vor,
so lange uns über den Inhalt und die Tragweite derselben nur allgemeine
und unvollkommene Andeutungen zugekommen sind. Ew. Exc. werden zu
Ihrer eigenen Kenntniß aus dem anliegenden Memoire, in welches der König
Allerhöchst seine eigenen Aeußerungen gegen den Kaiser verzeichnete, und
welches am 4. d. nach Wien geschickt wurde, das nöthige entnehmen. Die
k. Regierung hat ihrerseits den Moment zur Ergreifung der Initiative von
Reformvorschlägen nicht geeignet gehalten; wenn sie aber veranlaßt wird,
sich auf diesem Gebiet auszusprechen, so kann ich, unter Bezugnahme auf die
Ew. Exc. bekannten, in unserer Abstimmung in der Delegirtenfrage in der
Sitzung vom 22. Januar d. J. niedergelegten Motive, lediglich die Meinung
wiederholen, daß ich nur in einer nach dem Verhältniß der Volkszahl
der einzelnen Staaten aus directen Wahlen hervorgehenden Vertretung
des deutschen Volks, mit Befugniß zu beschließender Mitwirkung in
Bundesangelegenheiten, die Grundlage von solchen Bundesinstitutionen er-
kenne, zu deren Gunsten die preußische Regierung ihrer Selbständigkeit in
irgend welchem erheblichen Umfang entsagen könnte, ohne die Interessen der
eigenen Unterthanen und die politische Stellung des preußischen Staats
wesentlich zu benachtheiligen.“
17. „ (Fürstencongreß). Eröffnung des Congresses der deutschen
Fürsten in Frankfurt. Außer dem König von Preußen und einigen