Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

 
60        Deutschland. 
rechtskräftiger Erkenntnisse, über Auswanderungen, sowie über diejenigen Ge- 
genstände von gemeinsamem Interesse, deren allgemeine Regelung etwa künf- 
tig der gesetzgebenden Gewalt des Bundes durch verfassungsmäßige Beschlüsse 
des Directoriums (Art. 11) und der Abgeordnetenrersammlung würde über- 
tragen werden. Gesetzesvorschläge, welche eine Abänderung der Bundesver- 
fassung in sich schließen, oder eine neue organische Einrichtung auf Kosten des 
Bundes begründen sollen, oder der gesetzgebenden Gewalt des Bundes einen 
neuen seither der Gesetzgebung der einzelnen Staaten angehörigen Gegenstand 
überweisen, können in der Versammlung der Bundesabgeordneten nur mit 
einer Mehrheit von wenigstens Vierfünfteln der Stimmen angenommen wer- 
den. Wie das Directorium, so besitzt auch die Abgeordnetenversammlung das 
Recht, Bundesgesetze in Vorschlag zu bringen. Art. 21. Berathende und 
vermittelnde Befugniß der Versammlung. Die Versammlung der 
Bundesabgeordneten ist gleich dem Directorium berechtigt, in Angelegenheiten, 
welche dem Bereich der gesetzgebenden Gewalt. des Bundes nicht zugewiesen 
sind, die Einführung gemeinsamer Gesetze oder Einrichtungen auf dem Wege 
freier Vereinbarung in Antrag zu bringen. Um in den einzelnen Staaten 
zur Ausführung gelangen zu können, bedürfen jedoch die in Angelegenheiten 
solcher Art von der Abgeordnetenversammlung gefaßten Beschlüsse der Zu- 
stimmung der betreffenden Regierungen und Vertretungen (Art. 25.) Art. 
22. Recht der Vorstellung und der Beschwerde. In allen Ange- 
legenheiten des Bundes steht der Versammlung der Bundesabgeordneten das 
Recht der Vorstellung und der Beschwerde zu. 
     Abschnitt IV. Die  Fürstenversammlung. Art. 23. Einrichtung 
der Fürstenversammlung. In der Regel wird nach dem Schlusse der 
ordentlichen oder außerordentlichen Sitzungen der Versammlung der Bundes- 
abgeordneten eine Versammlung der souveränen Fürsten und der obersten 
Magistrate der freien Städte Deutschlands sich vereinigen. Der Kaiser von 
Oesterreich und der König von Preußen gemeinschaftlich erlassen die Einla- 
dungen zur Fürstenversammlung. Die nicht persönlich erscheinenden Souve- 
räne können sich durch einen Prinzen ihres Hauses als Alter Ego vertreten 
lassen. Zwei Vertretern der deutschen Standesherren wird in der Fürsten- 
versammlung ein Antheil an einer Curiatstimme (anstatt des erloschenen An- 
theils der beiden Hohenzollern) zugestanden. Art. 24. Stimmordnung. 
Die Verhandlungen der Fürstenversammlung tragen den Charakter freier Be- 
rathung und Verständigung zwischen unabhängigen und gleichberechtigten Sou- 
veränen an sich. Deutschlands Fürsten und freie Städte sind jedoch überein- 
gekommen, die für die Beschlüsse des Bundesrathes geltende Stimmordnung 
in der Art auch unter sich in Anwendung zu bringen, daß ein Beschluß der 
Fürstenrersammlung nicht aufgehalten werden kann, wenn die bejahenden 
Stimmen das im Bundesrathe je nach der Natur des Gegenstandes vorge- 
schriebene Stimmverhältniß erreichen. Art. 25. Gegenstände der Be- 
schlüsse der Fürstenversammlung. Die Fürstenversammlung nimmt 
die ihr durch das Directorium unterlegten Ergebnisse der Verhandlungen der 
Abgeordnetenversammlung in Erwägung. Sie faßt die endgültigen Beschlüsse 
über diejenigen Anträge der Versammlung der Bundesabgeordneten, welche 
nicht der Zustimmung der Vertretungskörper in den einzelnen Staaten be- 
dürfen. Sie läßt die mit ihrer Sanction versehenen Bundesgesetze sowohl 
durch das Directerium als in den einzelnen Staaten verkündigen. Sie pflegt 
Berathung wegen thunlichster Förderung der Ausführung über diejenigen An- 
träge der Versammlung der Bundesabgeordneten, über welche der endgültige 
Beschluß den verfassungsmäßigen Gewalten der einzelnen Staaten zusteht. 
(Art. 11 und 21.) Sie prüft die Vorstellungen und Beschwerden der Ver- 
sammlung der Abgeordneten in allgemeinen Bundesangelegenheiten, und läßt 
dem Directorium die betreffenden Entschließungen zugehen. Sie kann alle 
für das Gesammtvaterland wichtigen Angelegenheiten in den Kreis ihrer Be-
	        
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