Deutschland. 73
Staatenbund beibehält, nicht von einer in ihm selbständig constituirten Re-
gierungsgewalt, sondern nur nach Instruktion der Einzelregierungen durch
deren Beauftragte geleitet werden kann, so fordert nicht bloß die Rücksicht
auf das gleiche Recht Aller, sondern selbst das Interesse des Ganzen, daß
auch Allen ein verhältnißmäßiger Antheil an der Bildung des Gesammtwillens
eingeräumt werde. Zur eigentlich leitenden Behörde des Bundes eignet sich
deshalb nicht ein irgendwie aus einigen wenigen Bundesgliedern zusammen-
gesetztes und ausschließlich von denselben zu instruirendes Directorium, son-
dern nur der Bundesrath selbst, in welchem den beiden Großmächten, statt
der bisher im engern Rathe geführten einen, mehrere Stimmen einzuräumen
durch die bestehenden Machtverhältnisse gerechtfertigt ist. Die Ausführung
des einmal durch Beschluß des Bundesraths festgestellten Bundeswillens kann
dagegen zweckmäßig einem kleineren Collegium überlassen werden, welches, da
es als vollziehender Ausschuß des Bundesraths erscheint, und jedenfalls an
dessen Instructionen gebunden werden müßte, richtiger auch formell als ein
solcher Ausschuß, nicht als ein selbständiges Directorium bestellt würde. Die
Bildung des bestimmenden Gesammtwillens im Bunde wird durch Mitwir-
kung sämmtlicher Bundesglieder nicht mehr verzögert, als durch Mitwirkung
von nur 5 oder 6; durch die Zulassung zahlreicherer vermittelnder Einflüsse
wird sie umgekehrt erleichtert und der Bund gegen die Gefahren geschützt,
welche ihm aus dem unvermittelten Gegensatz einiger weniger Directorialhöfe
und den unter ihnen ohne Mitwirkung der Mehrzahl der Bundesglieder ge-
faßten formellen Mehrheitsbeschlüssen drohen würden. Dagegen wird der
Vollzug des einmal festgestellten Bundeswillens mit allen bei der Ausführung
sich ergebenden Detailfragen durch Ueberlassung desselben an einen kleineren
Ausschuß an Energie gewinnen, und nahezu unentbehrlich erscheint eine der-
artige Einrichtung, um der Bundesregierung eine constitutionelle Vertretung
der Bundesbevölkerung an die Seite stellen zu können.
„Weit wichtiger für eine reguläre und sichere Thätigkeit der Bundes-
regierung, als eine eventuelle Reduction der jetzt am Bundestage geführten
Stimmen, ist die klare und unzweideutige Anerkennung der Ma-
joritätsbeschlüsse. Aber auch dieser Grundsatz, so naturgemäß und wün-
schenswerth er an sich ist, läßt sich unter den gegebenen Verhältnissen nicht
ausnahmslos durchführen. Ein formeller Majoritätsbeschluß kann die That-
sache nicht wegräumen, daß eine etwa dissentirende Großmacht dem inneren
Lebensgesetze ihres Staates folgen wird und muß; er brächte nur über den
Bund die Calamität eines formell giltigen, aber thatsächlich unausführbaren
Beschlusses, und damit die Gefahr gegenseitiger Erbitterung oder selbst einer
vollständigen Zerreißung des Bundes. Die wichtigsten Entschließungen des-
selben in seinen Beziehungen nach Außen und die entscheidenden Umgestal-
tungen im Innern sind durch die Natur der Verhältnisse an das Einver-
ständniß Oesterreichs und Preußens geknüpft, das durch eine Majorität von
zwei Dritteln nicht ersetzt werden kann. Unter dieser Voraussetzung verliert
allerdings die vorgeschlagene Ausdehnung der Bundeszwecke den größten Theil
ihrer realen Bedeutung; aber eine gewaltsame Anspannung der Bundesgewalt
zu größeren Leistungen, als sie, so lange die beiden Großstaaten mit einer
ihr überlegenen Macht neben derselben stehen, zu erfüllen vermag, kann
diese Leistungen selbst doch nicht hervorbringen und bedroht die Existenz des
Bundes, dessen Erhaltung, wenngleich mit bescheidener Wirksamkeit, ein wich-
tiges nationales Interesse bildet.
„Die bedeutendste Kräftigung wird der Bund aus der herzustellenden
Volksvertretung ziehen, die aber freilich nur, wenn sie aus directen
Volkswahlen hervorgehen würde, die von ihr gehofften Früchte tragen
kann, und da. sie den einzigen Entgelt für das vorübergehende Opfer des
Bundesstaates bildet, deshalb nur in solcher Gestalt zu empfehlen ist, wenn-
gleich Oesterreich zugestanden werden mag, daß es, seinen besonderen Ver-