Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

 
        
74         Deutschland. 
hältnissen entsprechend, auf dem Princip der Delegation für sich beharre. In 
ihr soll die in keinem andern Organe des Bundes zur unmittelbaren Erschei- 
nung kommende nationale Einheit ihren Ausdruck finden; sie ist dazu be- 
rufen und sie allein ist dazu befähigt, allmählich eine größere practische Ein- 
heit unseres Staatslebens zu vermitteln und die Ausbildung einer selbstän- 
digen mit reicherem Inhalt ausgestatteten Bundesgewalt vorzubereiten. Eine 
jede Versammlung von Vertretern des Volkes bedarf, soll ihre Stellung nicht 
vollkommen inhaltslos sein, neben dem Rechte der Mitwikung bei der Gesetz- 
gebung einen wirksamen Einfluß auf Feststellung des Staatshaushalts. Der 
Versammlung der Bundesabgeordneten würde eine wenig würdige Aufgabe 
verbleiben, wollte ihr das Recht entzogen sein, den Bundeshaushalt durch eine 
jährlich wiederkehrende Bewilligung festzustellen. Während somit einerseits 
die Befugnisse der Bundescentralinstitutionen im Entwurfe gestärkt werden 
müssen, wird es nöthig sein, andererseits die Einzelstaaten gegen die mögliche 
Einmischung des Bundesdirectoriums in deren inneres Regierungssystem sicher 
zu stellen, wie es Art. 9 auch in seiner jetzigen Fassung noch möglich macht. 
       „Die wesentlichen materiellen Voraussetzungen, von deren Eintreten Ich 
Meinen Beitritt zu einer Reformacte zur Zeit abhängig mache, fassen sich 
demnach dahin zusammen: Ich stimme nicht: 1) für Errichtung eines von. 
einzelnen Directorialhöfen zu instruirenden Bundesdirectoriums, welches 
ohne die Schranke constitutioneller Verantwortlichkeit seine Befugnisse 
auszuüben hat (Art. 3 und 5). Ich stimme nicht: 2) für das principielle 
Aufgeben des in den realen Verhältnissen begründeten und in der bisherigen 
Bundespraxis beobachteten Grundsatzes, daß die beiden deutschen Großmächte 
ein vorgängiges Einverständniß unter sich hergestellt haben müssen, bevor ein 
Bundesbeschluß in bestimmten, speciell zu bezeichnenden wichtigen Fragen ge- 
faßt werden soll (Art. 8). 3) Ich stimme nicht für eine aus Delegirten zu 
bildende Volksvertretung, wenn auch befürwortet werden kann, von einer aus 
directen Volkswahlen zu bildenden Nationalrepräsentation österreichische Ab- 
geordnete deshalb nicht auszuschließen, wenn solche, den bestehenden Verhält- 
nissen des Kaiserstaates entsprechend, nach dem Princip der Delegation ge- 
wählt werden (Art. 16). 4) Ich stimme nicht für die thatsächliche Vernich- 
tung des Zustimmungsrechtes der Bundesabgeordneten bei Feststellung des 
Bundeshaushalts durch Beschränkung deren Bewilligungsrechts auf neue, den 
Voranschlag der vorhergehenden Periode verändernde Budgetpositionen (Art. 
14). 5) Ich stimme endlich nicht bei zur Ausdehnung der Befugnisse des 
Directoriums auf das Recht und die Pflicht der Überwachung, daß der innere 
Friede Deutschlands nicht gestört werde (Art. 9). Muß auch bereitwilligst 
zugegeben werden, daß es gelungen ist, wesentliche Verbesserungen des Ent- 
wurfs zu verwirklichen, so hat sich doch aus den Besprechungen der hohen 
Fürstenversammlung nach der Zusammenstellung ihrer Beschlüsse ergeben, daß 
die Mehrheit der Ansichten zu einer Art der Reform sich neigt, welche diesen 
von Mir in den eingereichten Separatvota näher begründeten Wünschen nicht 
in ausreichendem Maße entspricht, noch auch andere daselbst ausgesprochene, 
wenngleich minder wesentliche Bedenken beseitigt. Da nun nach dem Vorschlag 
Sr. k. k. Majestät Meine jetzige Abstimmung zugleich einen Verzicht auf 
fernere Geltendmachung dieser von Mir gestellten Anforderungen mit sich 
bringen würde, so stimme Ich nunmehr auch gegen den vorliegenden 
Entwurf im Ganzen. 
       „Wie bereit Ich auch sein mag, jederzeit Opfer Meiner Rechte und Mei- 
ner Stellung zu bringen, wo dieselben dem Zustandekommen des großen na- 
tionalen Werkes der Einigung Deutschlands gebracht sind, ja wie bereit Ich 
wäre, denselben auch das schwerere Opfer der Ideen zu bringen, wornach sich 
nach Meiner festen Ueberzeugung die künftige Verfassung Deutschlands zum 
Wohle deutschen Volkes und Landes gestalten muß, wenn unter allen Meinen 
hohen Verbündeten, wenn von der Gesammtheit der deutschen Souveräne ein
	        
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