Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfter Jahrgang. 1864. (5)

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talien. 
durch die französischen Truppen gestatten werden, ohne Beeinträchtigung der 
Interessen, deren Wahrung Frankreich zur Aufgabe gehabt hat. Er fügt hin- 
zu, die Ehre der französischen Regierung sei eingesetzt, die Besetzung so lange 
fortdauern zu lassen, als die Sicherheit des heiligen Vaters nicht genügende 
Bürgschaften erhalten haben wird. Doch macht Se. Excellenz mit Recht 
darauf aufmerksam, daß meine früheren Depeschen keinerlei ausdrücklichen 
Vorschlag enthalten, und er schließt mit der Versicherung, daß die französische 
Regierung stets geneigt sein werde, die Mittheilung der Vorschläge anzu- 
hören, welche nach seiner Meinung geeignet wären, die große Aufgabe der 
Beziehungen des heiligen Stuhles zum übrigen Italien zu lösen. 
„Ich habe mich beeilt, Hrn. v. Malaret für seine Mittheilung zu danken, 
und ich benutze die Gegenwart des Marchese Pepoli in Paris, um ihn zu 
bitten, seine Anstrengungen mit den Ihrigen zu vereinigen und mündlich die 
Anträge zu vervollständigen, welche die Regierung des Königs der kaiserlichen 
Regierung zukommen zu lassen wünscht. In meiner Depesche vom 9. Juli 
1863 habe ich als Grundlage der zu erzielenden Verständigung die Anwen- 
dung des Grundsatzes der Nichteinmischung auf das römische Gebiet wie auf 
das übrige Italien bezeichnet. Die Aufrechthaltung der Nichteinmischung ist 
in der That einer der politischen Grundsätze, welche Italien wie Frankreich 
gemeinschaftlich sind; dieser Grundsatz kann um so besser zum Ausgangspunkte 
dieser heiklichen Unterhandlungen gewählt werden, als einerseits der Kaiser 
in seinem Briefe an Herrn Thouvenel, auf der andern Seite Graf Cavour 
dessen Anwendbarkeit auf das römische Gebiet anerkannt haben. Indem wir 
die Abberufung der französischen Truppen zum Hauptgegenstande des Ver- 
gleiches machen, über welchen wir verhandeln, gehorchen wir keinerlei ehrgei- 
zigen oder interessirten Rücksichten (préoccupations). Wie ich bei verschie- 
denen Gelegenheiten zu erklären die Ehre gehabt. Italien sieht noch immer in 
einer Uebereinstimmung mit dem heiligen Stuhl das beste Mittel, den Be- 
strebungen der Nation zu genügen. Diese Uebereinstimmung, welche der hohe 
Zweck der Politik des Kaisers gewesen ist und für welchen Frankreich kein 
Opfer gescheut hat, sind wir entschlossen, zu verfolgen, und wir haben noch 
nicht die Hoffnung aufgegeben, sie zu erreichen. Wir sind auch bereit, dem 
heiligen Stuhle die nöthigen Bürgschaften zu gewähren, damit er sich in die 
Bedingungen der Stille und Ruhe (calme et tranquillité) versetzt sehend, 
welche für die Würde und Unabhängigkeit seiner Berathungen unerläßlich sind, 
mit Hilfe der Zeit und der Umstände dieser Idee der Versöhnung zugäng- 
licher werde, welche anzurufen wir niemals aufgehört haben. 
„Diese Bürgschaften müssen meiner Meinung nach in der Verpflichtung 
bestehen, welche die Regierung des Königs einzugehen bereit ist, das römische 
Gebiet nicht anzugreifen, noch zu gestatten, daß es angegriffen werde, weder 
durch eine regelmäßige, noch durch eine unregelmäßige Armee; außerdem in 
dem Versprechen, keine Einsprüche zu erheben gegen die Bildung einer regel- 
mäßigen Armee, unter der Bedingung jedoch, daß dieselbe von der römischen 
Regierung zu einem ausschließlich defensiven Zwecke organisirt wird. Um 
endlich noch besser darzuthun, daß eine direkte Uebereinstimmung mit dem 
heiligen Stuhl in unseren Augen stets das beste Mittel zur Lösung der gegen- 
wärtigen Schwierigkeiten ist, würde die italienische Regierung sich verpflichten, 
sich wegen Uebernahme eines verhältnißmäßigen Antheiles der auf die dem 
Königreiche Italien annectirten Provinzen kommenden Staatsschuld des ehe- 
maligen Kirchenstaates zu verständigen (entrer en arrangement). 
„Indem ich Ihnen diese summarischen Betrachtungen auseinandersetze, 
spreche ich fast wörtlich den Inhalt der Artikel aus, deren Text Sie hier 
beigeschlossen finden, und auf welche' Sie die Aufmerksamkeit Sr. Exc. des 
kaistrlichrn Ministers der auswärtigen Angelegenheiten lenken wollen. Die 
Vorschläge, welche sie enthalten, sind übrigens schon von Sr. Maj. dem Kaiser 
und von dessen Regierung gekannt. Wie Sie wissen, bildeten dieselben bereits