Italien. 231
die Grundlagen der vertraulichen Unterhandlungen, welche der Graf Cavour kurze
Zeit vor seinem Tode begonnen hatte. Die Ereignisse dieser letzten Jahre haben
unserer Ansicht nach die Nothwendigkeit und Zeitgemäßheit dieser Grundlage
eines Vergleiches noch klarer gemacht. Die Besetzung Roms durch die fran-
zösischen Truppen hatte nach den feierlichen Erklärungen des Kaisers und seiner
Minister zum Zwecke, eine Annäherung zwischen Italien und dem römischen
Hofe herbeizuführen. Da dieser Zweck bis jetzt nicht erreicht werden konnte,
handelt es sich darum, die Bürgschaften, fnit welchen Frankreich bis jetzt den
heiligen Stuhl umgeben hat, durch andere Bedingungen materieller und mo-
ralischer Sicherheit zu ersetzen, welche nicht das nationale Gefühl der Italiener
verletzen, noch einen schlagenden Verstoß (dérogation flagrante) gegen die
Grundsätze sind, welche die Basis des öffentlichen Rechtes in Italien und in
Frankreich bilden. Wir werden uns glücklich schätzen, zu erfahren, daß Se.
ajestät der Kaiser den Vorschlag annimmt, welchen wir seiner ernsthaften
Betrachtnahme unterbreiten. Wenn dieses Projekt nicht darauf abzielt, un-
mittelbar die große Aufgabe der Beziehungen des heil. Stuhles zum König-
reich Italien zu lösen, so erreicht es unserer Meinung nach ein praktischeres
Ziel. Es bietet das einzige Mittel dar, um allmälig zu einer Lösung
der römischen Frage zu gelangen durch den langsamen, unfehlbaren
Triumph jener moralischen Kräfte, welche das italienische Parlament in seinen
Abstimmungen angerufen hat, d. h. durch die fortschreitende Anwendung der
Grundlage des Rechts und der religiösen Freiheit.“
17. Juni. Garibaldi geht auf der Yacht des Herzogs v. Sutherland von
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Caprera nach Ischia ab.
„ Eröffnung des ital. Nationalschießens in Mailand.
„ Debatten des Senats über den Gesetzesentwurf behufs Ausgleichung
der Grundsteuer. Graf Revel macht einen Gegenvorschlag. Die
Regierung erklärt, daß sie die Annahme desselben als ein Mißtrauens-
votum ansehen müßte. Dennoch wird der Antrag mit einer Mehr-
heit von nur 27 Stimmen zu Gunsten der Regierung abgelehnt.
„ Debatten des Senats über den Gesetzesentwurf behufs Ausglei-
chung der Grundsteuer. Graf Ponza di San Martino stellt die
Alternative: entweder die offenstehenden Fragen Roms und Venedigs
zur Lösung zu bringen, d. h. das Schwert zu ziehen, oder aber die
Entwaffnung eines großen Theils der Armee vorzunehmen, als das
einzige Mittel, um das übermäßige Budget zu vermindern. Der
Senat genehmigt schließlich den Gesetzesentwurf mit 96 gegen 55
Stimmen.
„ Die II. Kammer genehmigt das gesammte Budget der Ausgaben
für 1864 mit 142 gegen 60 Stimmen.
„ Der Abg. Saracco interpellirt die Regierung in der II. Kammer
über die Finanzlage des Staates, indem er erklärt, daß das Land an
einem folgenschweren Wendepunkt stehe, daß die Existenz des Staates
selbst auf dem Spiele stehe und daß nach seiner Ansicht nur zwei
Auswege möglich seien, der eine der Action, der andere einer neuen
Anleihe.
„ Erklärung des Ministerpräs. Minghetti über die Finanzlage des
Landes und die Stellung zu den Parteien.