Full text: Europäischer Geschichtskalender. Fünfter Jahrgang. 1864. (5)

Italien. 237 
Präsident der Kammer theilt ihr mit, daß drei Gesuche für eine 
Untersuchung wegen der Ereignisse vom 21. und 22. Sept. einge- 
gangen seien. Die Regierung erklärt, daß sie sich im Princip einer 
solchen nicht widersetze, wohl aber, daß eine Discussion über einen 
so aufreizenden Gegenstand vor dem Votum über ihre Vorlagen 
stattfinde. Die Untersuchung wird darauf beschlossen, ohne daß ein 
aufreizendes Wort laut geworden wäre, und die Dringlichkeit der 
Regierungsvorlage anerkannt. 
30. Oct. Depesche des ital. Gesandten in Paris an seine Regierung: 
31. 
„.. Herr Drouyn de l'Huys hat mir offen gestanden, daß das, was in 
meiner Depesche geschrieben stehe, wahr sei. Aber er fügte hinzu, daß der In- 
halt meiner Depesche vom französischen Gesichtspunkte aus in mehreren Punkten 
vervollständigt werden müsse.. Herr Drouyn de l'Huys ist der Meinung, 
daß von „Bestrebungen“ (aspirations) reden, nachdem man sich gewaltsame 
Mittel, nach Rom zu kommen, untersagt habe, die Parteien glauben machen 
heiße, man behalte sich unterirdische Wege vor. JIch habe erwidert, daß 
nichts in meiner Depesche zu einer solchen Auslegung Veranlassung geben 
könne, daß wir uns ausdrücklich das nationale Streben vorbehalten, aber auch 
zugleich dessen Richtung und Zweck genau bestimmt hätten; daß ich meine 
Regierung zu beleidigen geglaubt haben würde, wenn ich auch nur einen 
einzigen Augenblick die Nothwendigkeit einer besonderen Erklärung in dieser 
Hinsicht statuirt hätte. Die unterirdischen Wege, von denen Hr. Drouyn 
de l'Huys spricht, haben nichts gemein mit den moralischen Kräften der 
Civilisation und des Fortschrittes, die wir anrufen, um zu einer Versöhnung 
Italiens mit dem Papstthume zu gelangen. Herr Droyn de l'Huys hat 
daran erinnert, daß in den Conferenzen von der einen wie von der anderen 
Seite erklärt worden war, man dürfe sich nicht mit dem Falle beschäftigen, 
daß, trotz der redlichen Ausführung des Vertrages von Seiten Frankreichs und 
von Seiten Italiens, die päpstliche Regierung nicht mehr durch sich selber 
fortbestehen könnte und sich unmöglich machte; diese Eventualität werde eine 
neue, von der Convention unabhängige und außer der Voraussicht der con- 
trahirenden Theile liegende herbeiführen. Die beiden Regierungen be- 
hielten sich für diesen Fall vor, sich, wenn derselbe eintreten 
sollte, alle Freiheit der Handlung einer= wie andererseits zu 
bewahren. Dieser von Sr. Exc. erwähnte Vorbehalt ist vollkommen 
begründet, und ich habe Bedacht genommen, ihn seiner Zeit zur Kenntniß der 
königlichen Regierung zu bringen. Aber ich hielt mich nicht verpflichtet, in 
meiner für die Oeffentlichkeit bestimmten Depesche darauf zurückzukommen, 
und zwar aus zwei Gründen: erstens mußte ich, da die Bevollmächtigten 
anerkannt hatten, sie könnten und dürften sich mit einer Eventualität dieser 
Art nicht näher befassen, gleichen Grund haben, es eben so in meiner Depesche 
zu machen. Zweitens konnte ich es nicht über mich bringen, die Voraussicht 
des Falles der päpstlichen Regierung einzig und allein durch ihre eigene 
Schuld und Ohnmacht der öffentlichen Discussion zu überliefern. Freilich 
ist diese Eventualität möglich; aber wenn man auch fortan alle künftigen 
Möglichkeiten im Auge behalten muß, so ziehen wir es doch vor, mit unseren 
Gedanken bei der Möglichkeit einer Verständigung zwischen dem Papstthum 
und Italien zu verweilen." 
„ Telegramm des ital. Gesandten in Paris an seine Regierung: 
„Meine Depesche vom 15. September hat verschiedene Auslegungen gefun- 
den und Herrn Drouyn de l'Huys zu zwei Depeschen Veranlassung gegeben. 
Aus den zwischen ihm und mir in loyaler Weise gewechselten Erklärungen 
ergibt sich, daß, wenn die Regierung des Königs sich vor der Kammer in den 
durch meine Depesche vom 15. September angedeuteten und durch meine De-