Uebersicht der Ercignisse des Jahrcs 1861. 419
Schritt für Schritt in eine Bahn geleitet worden sei, die seinen Hes
ursprünglichen Absichten ganz und gar nicht entsprach und seinen
eigenen Interessen geradezu ins Gesicht schlug: mit eigenen Händen
hatte es dazu geholfen, Preußen sehr wesentlich zu stärken, den öster-
reichischen Einfluß in Deutschland dagegen sehr empfindlich zu schwächen.
Der Staatsminister Schmerling stand auch wirklich nicht an, offen
und unumwunden zuzugeben, daß die schleswig-holsteinische Sache
„total verfahren“ sei. Als daher Graf Rechberg durch die indirecten
Folgen dieser seiner Politik zum endlichen Rücktritt von der Leitung
der auswärtigen Angelegenheiten Oesterreichs gezwungen und durch
den F.-M.-L. Grafen Mensderff-Pouilly ersetzt wurde, glaubte die
öffentliche Meinung mit Fug und Recht darin nicht bloß einen
Personen= sondern auch einen entschiedenen Systemwechsel erblicken zu
dürfen. Dennoch irrte sie sich. Oesterreich war bereits viel zu weit
gegangen, um noch zurückweichen zu können, ohne, zumal einem Gegner
wie dem preuß. Ministerpräsidenten v. Bismarck gegenüber bereit zu sein,
eventuell selbst zum Schwerte zu greifen. Wiewenig aber Oesterreich noch,
nach Innen wie nach Außen, consolidirt war, zeigte sich am besten
daraus, daß es in der That nicht in der Lage war, daran auch
nur denken zu können. Alles was der neue Leiter seiner auswär-
tigen Politik thun konnte, bestand darin, daß er sich mehr als bis-
her auf den factischen Mitbesitz der Herzogthümer, der nach dem
Wiener Frieden auf Oesterreich und Preußen gemeinsam übergegangen
war, zu stützen gedachte, weßhalb er denn auch den allzu willfährigen
österr. Civilcommissär Varon Lederer abrief und durch den energischeren
Hrn. v. Halbhuber ersetzte — und dann daß er allmälig wieder
auf den nationalen und bundesmäßigen Weg in der endlichen Er-
ledigung der ganzen Frage überzulenken und namentlich mit den
übrigen Bundesstaaten wieder anzuknüpfen suchte. So war die
Lage der Dinge zu Ende des Jahres 1864.
Noch bleibt es übrig, einen Blick auf Amerika zu werfen, Amerika.
das um so weniger bei Seite gelassen werden darf, als die
Politik Europas sich mit derjenigen des westlichen Continentes
von Jahr zu Jahr mehr verflicht und die passive Rolle, die der
letztere dabei anfänglich spielen mußte und die zunächst nur darin
ihr Ende fand, daß Amerika die unberufene Einmischung Eu-
ropas in seine Angelegenheiten allmälig mit Kraft und mit Glück
27*