Uebersicht der Etcignisse des Aahtes 1665. 411
tirtenkammer die vorläufige Vertagung. der Berathungen über das Italien.
Klostergesetz zu verlangen und am solgenden Tage dasselbe sogar
gänzlich zurückzuziehen, wobei sie jedoch erklärtr, daß dieser Schritt
mit der Mission Vegezzi in keinem Zusammenhange stehe und daß
sie den Gesetzesentwurf in der nächsten Session aufs neue dorzu-
legen entschlessen sei. Unterdessen geriethen aber die Unterhand-
lungen mit Rom in's Stocken und mußten schließlich abgebrochen
werden. Es zeigte sich eben bald, wie schwer es sei, bei den nun
einmal hergebrachten Verhältnissen zwischen Staat und Kirche die po-
litischen Beziehungen gänzlich bei Seite zu lassen. Doch zeigte die
italienische Regierung ihre Bereitwilligkeit zu einer Verständigung,
so weit es ohne Beeinträchtigung der Rechte und der Interessen des
Staats möglich war, dadurch, daß sie trotz des Abbruchs der Unter-
handlungen einer Reihe von Bischöfcn, die meist aus zureichenden
Gründen aus ihren Dicesen hatten entfernt werden müssen, die
Rückkehr in dieselben gestattete. Die größte und schwierigste Auf-
gabe des Parlaments blieb die Finanzfrage. Alle Welt sah ein,
daß ein jährliches Deficit von mehreren hundert Millionen auf die
Dauer geradezu eine Unmöglichkeit sei, daß der Credit des Staates
seine Gränzen habe und daß diese Gränze bereits so ziemlich erreicht
sei. Allerdings muß zugegeben werden, daß das neue Königreich sich
in einer schwierigen und vielfach exceptionellen Lage befand. Die
Befreiung von der Fremdherrschaft hatte dasselbe schon an sich mit
einer schweren Schuldenmasse belastet und als endlich die Einheit
errungen war, hatte es in den neu erworbenen Provinzen so unend-
lich viel nachzuholen. Die Finanzen waren zwar in den melsten der
früheren italienischen Staaten ziemlich wohlgeordnet, die Schulden
nicht übermäßig, die Abgaben theilweise sogar gering; aber die meisten
dieser Staaten hatten für die eigentlichen und höhern Zwecke des
Staates auch blutwenig gethan: der Glanz der Höfe und der Haupt-
städte, das Militär und die Sicherheitspolizei verschlangen die Ein-
nahmen; für den öffentlichen Verkehr, für Wege und Straßen, war
wenig, für das Bolksschulwesen meist gar nichts gethan worden. Die
neue Regierung faßte ihre Aufgabe weit höher und die genannten
beiden Zweige des Staatslebens verschlangen allein ungeheure Sum-
men. Dazu kam, daß eine neue nationale Armee und Flotte erst
zu schaffen waren und diese waren es, die die Finanzen vollends