Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

 
102               Preußen und der norddeutsche Bund. 
Antwort Bismarcks: „Ich würde mich zu einer erschöpfenden Beant- 
wortung der von dem Herrn Interpellanten angeregten Frage in Vertretung 
der hohen verbündeten Regierungen nur dann bereit erklären können, wenn 
die Frage von der großherzoglich hessischen Regierung gestellt würde. Der 
Herr Interpellant ist von der Voraussetzung ausgegangen, daß der Wunsch 
der großherzoglichen Regierung, das ganze Großherzogthum jetzt in den 
norddeutschen Bund ausgenommen zu sehen, amtlich feststände. Ich kann 
dies nicht bestäligen. Die großherzoglich hessische Regierung hat uns aller- 
dings in einer Note vom 14. August vorigen Jahres den Wunsch ausge- 
sprochen, mit dem ganzen Großherzogthume in den Bund ausgenommen zu 
werden. Es geschah dies aber in einer anderen Lage der Dinge, als es die 
heutige ist. Die preußische Regierung hatte damals in den Friedensverhand- 
lungen die Forderung gestellt, das gesammte Oberhessen mit Homburg und 
Meisenheim der preußischen Monarchie einzuverleiben gegen Entschädigung 
des Großherzogthums Hessen auf Kosten Bayerns. Um diesen Gebietsaus- 
tausch abzuwehren, bot die großherzogliche Regierung, wie aus dem Inhalt 
der Note vom 14. August zu ersehen sein würde, den Eintritt des gesammten 
Großherzogthums in den norddeutschen Bund an. Nachdem jener Territorial= 
Austausch aus anderen Rücksichten ausgegeben war, hat die großherzogliche 
Regierung denselben Wunsch nicht erneuert. Die verbündeten Regierungen 
sind weit entfernt, die Uebelstände zu verkennen, welche aus der Theilung 
des Großherzogthums in einen der Gesetzgebung des norddeutschen Bundes 
unterworfenen und einen davon freien Theil hervorgehen. Es ist sogar ver- 
auszusehen, daß diese Uebelstände sich noch beträchtlich steigern würden, wenn 
es nicht gelingen sollte, dem Zollverein eine weitere Ausdehnung, als das 
Gebiet des norddeutschen Bundes es bedingt, zu erhalten. Wir finden daher 
die Uebelstände, welche der Herr Interpellant hervorgehoben hat, nicht nur 
unzweifelhaft vorhanden, sondern auch die Gefahr, daß sie in Zukunft wachsen 
könnten. Es kommt dazu, daß das gesammte Großherzogthum schon in 
wesentlichen Theilen seiner Organisation in die Rechtssphäre des norddeutschen 
Bundes bineingezogen wird, namentlich in Betreff der Verwaltung der Post 
und der Telegraphie, und, wie demnächst durch den Abschluß einer Militär= 
Convention zu erwarten steht, auch in Bezug auf die militärischen Angelegen- 
heiten. Als Aequivalent dafür blieben dem Großherzogthum zu reclamiren 
die Rechte, die den vorher angedeuteten Leistungen entsprächen, nämlich die 
Rechte einer stärkeren Vertretung im Bundesrathe wie im Reichstage, und 
die Bürgschaften einer vollen territorialen Garantie, die sich bisher, juristisch 
wenigstens, auf Rheinhessen und auf Starckenburg nicht erstreckten. Der 
Frage, ob nach dem Inhalte des Prager Friedens der Aufnahme des ge- 
sammten Großherzogthums, welches, von der territorialen Seite ausgefaßt, 
zur Hälfte ein norddeutscher, zur Hälfte ein süddeutscher Staat ist, Hinder- 
nisse entgegenstehen, würden wir näher treten, sobald uns von der groß- 
herzoglichen Regierung in amtlicher Form der Wunsch dazu ausgessrochen 
würde. Wir würden dann, da wir mit Oesterreich auf der Basis des 
Prager Friedens und in Betreff der Auslegung desselben, im Einverständnisse 
zu leben beabsichtigen, zunächst mit der kaiserlich österreichischen Regierung 
in freundschaftliche Verhandlungen darüber treten, wie sie ihrerseits die 
Frage auffasse, und nach der bisherigen Haltung der kaiserlichen Regierung 
glauben wir kaum, daß der Gedanke auf einen bestimmten Widerstand stoßen 
würde, sobald die Wünsche der großherzoglich hessischen Regierung sich un- 
zweideutig manifestirt hätten. Wir würden demnächst, nachdem ich mich der 
Ueberzeugung hingeben darf, daß innerhalb des engeren Bundes ein Wider- 
spruch nicht erhoben werden würde, es doch für nützlich und den gegenseitigen 
Beziehungen entsprechend halten, mit unseren süddeutschen Bundesgenossen, 
und namentlich mit Bayern, auch über diese Frage ins Vernehmen zu treten, 
um zu ermessen, ob die dortige Politik durch dieses Vorgehen gekreuzt oder
	        
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