104 Preußen und der norddeutsche Bund.
rechnungshofes wird dem nächsten Reichstage vorgelegt. So lange dasselbe
nicht ergangen ist, versieht die preuß. Oberrechnungskammer die Functionen
des Rechnungshofes. — Das Bundespräsidlum ernennt den Bundesfinanz-
minister, welcher die Bundesfinanzen verwaltet und dafür dem Reichstage
verantwortlich ist; derselbe kann mit dem preuß. Finanzminister identisch sein.
— Amendement Miquel (National -Liberale): Ueber die Verwendung
aller Einnahmen des Bundes ist vom Präsidium dem Bundesrathe und
dem Reichstage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen. — In Fällen
eines außerordentlichen Bedürfnisses können im Wege der Bundesgesetzgebung
die Aufnahme einer Anleihe, sowie die Uebernahme einer Garantie zu Lasten
des Bundes erfolgen.
Bei der Abstimmung wird das Amendement Migquel ohne Zäh-
lung angenommen, dasjenige Dunckers ebenso verworfen.
Tit. XIII Art. 68—70 (Schlichtung von Streitigkeiten und
Strafbestimmungen) wird mit einigen Modificationen angenommen
und zwar mit dem von Wiggers (Mecklenburg) vorgeschlagenen Zusatze:
Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justizverweigerung eintritt,
und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht erlangt werden kann, so
liegt dem Bundesrathe ob, erwiesene und nach der Verfassung und den be-
stehenden Gesetzen des betreffenden Bundesstaates zu beurtheilende Beschwerden
über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege anzunehmen und darauf die
gerichtliche Hülse bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlaß ge-
geben hat, zu bewirken,
der mit 138 gegen 113 Stimmen angenommen wird.
10. April. (Norddeutscher Bund). Reichstag: Schluß der Verfassungs-=
debatte. Der großh. hess. Bundescommissär, Reg.-Rath Hofmann,
gibt die nachträgliche Erklärung ab:
„Ich war gestern verhindert, der Interpellation wegen des Eintritts des
Großherzogthums Hessen beizuwohnen. Ich habe die Verhandlungen in den
stenographischen Berichten eingesehen und will die erste Gelegenheit benutzen,
dem Herrn Minister-Präsidenten von Preußen meinen Dank auszudrücken
für die bundesfreundliche und rücksichtsvolle Weise, in welcher er der groß-
herzoglichen Regierung ihre Stellung zu wahren gewußt hat. Ich bin nicht
ermächtigt, hier auszusprechen, ob in der jetzigen Lage die Frage des Eintritts
bereits zur Erklärung reif ist; aber ich glaube meine Befugnisse nicht zu
überschreiten, wenn ich sage, daß die großherzogliche Regierung die Erklärung
nur mit hoher Befriedigung aufgenommen hat. (Bravo !) Es kann ihr nur
willkommen sein, daß die preußische Regierung ihre Zustimmung zu geben
sich bereit gezeigt hat und sie nur abhängig macht von dem loyalen Streben,
den Bedingungen des Prager Friedens in Beziehung auf Oesterreich Rechnung
zu tragen und ebenso die süddeutschen Staaten darüber zuzuziehen. Es lassen
sich die Schwierigkeiten nicht verkennen, welche die jetzige Lage dem Groß-
herzogthume bereitet. Sie lassen sich durch einzelne Verträge vermindern;
aber das einfachste Mittel wird der Eintritt des gesammten Gebietes in den
Bund bleiben. (Bravo !) Durch dieses Mittel wird dem Großherzogthume
auch eine größere Anzahl von Vertretern gesichert werden. Auf der anderen
Seite läßt sich nicht verkennen, daß dem Großherzogthume durch den Gesammt-
eintritt größere Lasten auferlegt werden. Dies ist der Grund, weßhalb die
großh. Regierung, ehe sie einen Antrag auf Eintritt stellt, sich das volle
Einverständniß mit der Landesvertretung sichern muß. Ich bin aber über-
zeugt, daß dieses keinem Zweisel unterliegt, und die Landesvertretung sich
von dem Geiste beseelt zeigen wird, welcher in der Proclamation Sr. königl.
Hoheit des Großherzogs Ausdruck gesunden hat. Ich glaube daher, daß in