Full text: Europäischer Geschichtskalender. Achter Jahrgang. 1867. (8)

           Preußen und der norddeutsche Bund. 155 
30. Sept. (Preußen: Hannover). Schluß der Session des Provinzial- 
Landtags. Aus der Erklärung des Oberpräsidenten geht hervor, 
daß die Staatsregierung zwar der Umwandlung des Domanial= 
Ablösungsfonds in einen Provinzialfonds geneigt ist, aber die vor- 
herige Zustimmung des preuß. Landtags für erforderlich erachtet. 
„ „ (Hamburg und Bremen). Auflösung der bisherigen Militär- 
contingente. Am folgenden Tage rücken die preuß. Garnisonen ein. 
— Oct. (Preußen). Eine Instruction des Grafen Bismarck an den 
preuß. Gesandten in Florenz, Hrn. v. Usedom, bezeichnet die Stell- 
ung Preußens zu Italien und den dort im Gange befindlichen 
Ereignissen: 
„Ew. Berichte vom . . sind richtig eingegangen. In Beantwortung 
derselben erlanbe ich mir, Ew. folgende Erwägungen mitzutheilen, durch 
welche die Regierung Sr. Majestät des Königs in ihren Entschließungen sich 
leiten lassen muß. Ew. erinnern sich der unerwarteten Entlassung des 
Baron Ricasoli, welchen wir als einen Träger nationaler Bestrebungen und 
als den Vertreter einer im Bunde mit Deutschland wirkenden italienischen 
Politik anzusehen gewohnt waren. Es war dieser Minister, der in kritischen 
Momenten, wie sie die Ereignisse des vergangenen Jahres mit sich brachten, 
an dem Ruder der italienischen Politik stand und dessen Antecedentien uns 
volles Vertrauen in die letztere einflößen mußten. Seine Entlassung war 
unerwartet und wir sind genöthigt, die Beweggründe derselben auf einem 
Felde zu suchen, welches sich unserer Beobachtung entzieht. Die europsische 
Presse bezeichnete damals den Wechsel, welcher. Ratazzi an die Stelle Rica- 
solis kreten ließ, als den Beginn einer neuen Aera der italienischen Politik, 
welche das französisch -österrekchische Bündniß gegen Preußen zur Basis, die 
Undankbarkeit des Schwarzenbergischen Oesterreich gegen Rußland zum Vor- 
bilde in Bezug auf Preußen gewählt habe. Ew. werden die Gerüchte in 
Erinnerung sein bezüglich von Allianzen gegen Preußen, mit welchen die 
Zeitungen in Betreff Frankreichs, Italiens, Oesterreichs, selbst unter Hinein- 
ziehung Englands, sich so lange trugen, bis in Frankreich die weise und 
friedliche Polltik, welche der Kaiser persönlich nie verleugnet hatte, die Ober- 
hand behlelt. Es ist in jener Zeit nicht zu unserer Kenntniß gekommen, 
daß auf Seiten Italiens diese Bestrebungen, soweit dieselben sich in das 
Praktische übertragen haben, einem entschiedenen Widerstande begegnet seien. 
Erst seit die Salzburger Zusammenkunft die bestimmte Weigerung Oester- 
reichs, auf solche Bündnisse einzugehen, zur Evidenz gebracht hatte, sind auch 
die officiösen und sonstigen Gerüchte über die Bereitwilligkeit zu einem 
Bündnisse gegen Preußen, ohne in der officiösen Presse Italiens dementirt 
worden zu sein, dem Schweigen verfallen. Einige Wochen darauf und kaum 
elnen Monat rückwärts von heut war es, wie Ew. bekannt, daß wir zuerst 
Nachricht von Verhandlungen erhielten, welche zwischen Frankreich und Italien 
behufs einer Modification der September-Convention in ihrer Anwendung 
auf die päpstlichen Besitzungen schweben sollten; Gerüchte, welche von meh- 
reren Seiten Bestätigung fanden, aber erst nach der Verhaftung Garibaldis 
offener an's Tageslicht traten. Ew. sind am besten in der Lage zu wissen, 
daß, wenn solche Verhandlungen wirklich existirten, dieselben jedenfalls Ihnen 
gegenüber von Seiten Italiens geheim gehalten worden sind. Diese Vor- 
gänge, unterstützt durch andere Wahrnehmungen, welche wir Ew. Berichten 
entnehmen konnten, verhinderten hier bisher das Aufkommen atend eines 
Zweisels an dem fortdauernden vollen Einverständniß der italienischen und 
der kaiseclich franzssischen Regierung. Wir hatten einigen Grund zu ver-
	        
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