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Gesterreich.
Die Stellung der Regierung ist darin sehr deutlich gezeichnet. Der Kaiser
weist darauf hin, daß die „durch Gesetz und gemeinschaftliche Verfassung ge-
heiligte und beinahe seit acht Jahrhunderten zum beiderseitigen Heil bestan-
dene Zusammengehörigkeit“ zwischen Croatien und Slavonien einerseits und
Ungarn andererseits „auch von ihm zu wiederhdltenmalen auf das Entschie-
denste ausgesprochen und durch die glücklich vollzogene Krönung und die
Sanctionirung der dem ungarischen Landtag unterbreiteten Delegationsgesetze
in verfassungsmäßiger Weise auf das feierlichste bekräftigt worden“, und er
hält es demnach für seine „königliche Pflicht" dem croatischen Landtag „neuer-
dings Gelegenheit zu bieten“ über die Fesistellung des Verhältnisses zu Un-
garn zur legalen Berathung“ zu schreiten. Beigefügt ist, da alle bisherigen
Normen nur ad hoc erlassen worden, eine provisorische Wahlordnung, welche
bis zur ersolgten Vereinbarung zwischen dem Landtag und der Krone Geltung
haben soll. Im Allgemeinen sind in dieser Wahlordnung die Beschlüsse des
letzten Landtags zu Grunde gelegt; nur die Bestimmung, welche „eine An-
zahl unserer höchsten kirchlichen und weltlichen Würdenträger und einen Dheil
der Landesmagnaten ihres ihnen historisch und verfassungsmäßig zukommen-
den persönlichen Sitz= und Stimmrechtes verlustig erklärt“, ist umgestoßen,
und sodann „im Hinblick auf alle dem freiern Fortschritt huldigenden Län-
der", der vom Landtag beschlossene Wahlcensus von 5, 20 und 50 fl. auf
5, 15 und 30 fl. herabgesetzt.
21. Oct. Der Kaiser geht, vom Reichskanzler v. Beust und dem ungari-
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schen Ministerpräsidenten Grafen Andrassy begleitet, zum Besuch
des Kaisers Napoleon nach Paris.
„Der Kaiser trifft auf dem Wege nach Paris auf der Station
Oos (bei Baden-Baden) mit dem König von Preußen zusammen.
„ Reichsrath: Das Abg.-Haus nimmt das ihm vom confessionellen
Ausschusse vorgelegte Ehegesetz, welches das bürgerliche Recht wieder
herstellt und das vom Concordat an seine Stelle gesetzte canonische
Eherecht wieder beseitigt, mit großer Mehrheit an und beauftragt
mit 70 gegen 57 Stimmen den confessionellen Ausschuß „ein neues
Ehegesetz unter Auffassung der Eheschließung als bürgerlichen Aktes
und nach dem Grundsatze der Unabhängigkeit desselben von der
kirchlichen Trauung (Civilehe) zu entwerfen“.
„ Reichsrath: Das Abg.-Haus nimmt das ihm vom confessionellen
Ausschuß vorgelegte Schulgesetz, das die Schule mit Ausnahme des
Religionsunterrichts von der Kirche unabhängig stellen soll, mit
großer Mehrheit in dritter Lesung an.
Reichsrath: Das Herrenhaus nimmt das erste der vier Staats-
gesetze, das über die Ausübung der Regierungs= und Vollzugsgewalt
im Wesentlichen durchaus in der Fassung des Abg.-Hauses an.
„ Rußland, Frankreich, Preußen und Italien richten eine Collectiv=
note an die Türkei wegen Candia. Oesterreich und England lehnen
ihre Theilnahme an dem Schritte ab.
„ Hr. v. Hübner wird vom Kaiser von Paris aus seiner Func-
tionen als Vertreter der Regierung in Nom enthoben und Graf
Crivelli zum Botschafter in Rom designirt.