Oeslerreich-Ungarn. 247
„Das neue bürgerliche Ehegesetz kann der canonischen Gesetzgebung über
die Ehe nicht derogiren. Es bleiben daher die von der Kirche gegebenen
Gesetze und erlassenen Vorschriften sortan die Richtschnur, welche der Katholik
in dieser Frage zu besolgen hat... Diie kirchliche Matrimonial-Jurisdiction
bleibt aufrecht, und sind die Gläubigen verpflichtet, ihre Eheangelegenheiten
dort anzubringen. Ebenso bleiben die kirchlichen Matrimonial-Gerichte sort-
bestehend und sind die Gläubigen über deren Competenz zu belehren; sonach
ist denselben an's Herz zu legen, daß, wenn auch die weltlichen Gerichte in
Ehesachen Recht sprechen, doch eines jeden Katholiken Pflicht aufrecht bleibt,
mit Streitigkeiten, es mag sich um Lösung des Bandes oder um Scheidung
von Tisch und Bett handeln, an das geistliche Gericht sich zu wenden, was
auch für Sponsalien-Angelegenheiten gilt... . Jede in was immer für eines
bürgerlichen Gesetzes Krast unter den Christen außerhalb des Sacramentes
eingegangene Verbindung zwischen Mann und Frau ist kirchlich ungiltig;
daher auch ungiltig die Civil-Ehe in unseren Ländern ob defectum formao
Tridentinae, wenn auch kein anderes canonisches Hinderniß entgegenstünde.
Ungiltig in foro Eccleslac sind daher auch jene gemischten Ehen, die even-
tuell bloß vor dem minister acatholicus und zwei Zeugen geschlossen werden.
Dagegen ist giltig und unauflöslich in foro Ecclesiae jede nach canonischen
Gesetzen qguoad formam et materjam rechtsmäßig eingegangene Ehe, wenn
ihr auch ein bürgerliches Hinderniß entgegenstünde, und es sind solche Ehe-
leute zur anderweitigen Cheschließung durante ligamine nicht zuzulassen."“
In einer Reihe von Fällen werden die Pfarrer angewiesen, die Anfragen
weltlicher Behörden einfach nicht zu beachten. „Die in der Civil-Ehe Leben-
den“ — so wird weiter erklärt — „sind öffentliche Sünder und denselben
in jeder Hinsicht gleichzustellen. Eben deßwegen sind aber gegen sie alle
Rücksichten zu beobachten, die nach Beschaffenheit der Verhältnisse bei der
Behandlung öffentlicher Sünder zu nehmen sind. Es versteht sich von selbst,
daß den in der Civil-Ehe Lebenden bei fortwährender Renitenz und fort-
gesetztem fündhaften Zusammenleben die Absolution nicht ertheilt werden kann.
Dieser könnten sie nur dann theilhaftig werden, wenn sie bereit sind, sich von
dem Verhältnisse loszumachen, oder es, wofern kein nicht zu beseitigendes
Hinderniß obwaltet, in eine echte Ehe umzuwandeln. Des kirchlichen Begräb-
nisses können sie nur dann theilhaftig werden, wenn sie, mit Gott ausgesöhnt,
reumüthig sterben.“ Schließlich folgen Instructionen darüber, wie die Civil-
Ehen in einem besonderen Buche in Evidenz zu halten seien.
15.—21. Juni. (Ungarn). Prinz Napoleon in Ungarn. Es werden
ihm fast mehr als königliche Ehren erwiesen.
16. Juni. (Oesterreich) erklärt die früheren Auslieferungsverträge des
17.
deutschen Bundes für nicht mehr rechtskräftig,
wie vermuthet wird, mit Rücksicht auf den hannoverschen Grasen Platen,
gegen welchen die preuß. Regierung einen Staatsprozeß eingeleitet hat.
„ (Oesterreich). Der böhmische Episcopat (die Bischöfe von
Prag, Königgrätz, Budweis und Leitmeritz) erläßt gemeinsam an die
ihm untergeordnete Geistlichkeit eine geheime Instruction bez. der
confessionellen Gesetze.
Die „geheime“ Instruction enthält trotzdem eigentlich nur was die Bi-
schöfe in ihren Currenden und Hirtenbriefen auch öffentlich ausgesprochen ha-
ben. Es wird darin erklärt: Die kirchliche Gesetzgebung bleibt aufrecht, trotz
des neuen Ehegesetzes. Eine Civil-Ehe ist vor der Kirche ungiltig. Die kirch-
liche Ehegerichtsbarkeit bleibt aufrecht. Die geistlichen Ehegerichte haben fort-
zubestehen, worüber die Gläubigen zu belehren sind. Civil-Ehen sind ungiltig
unter allen Umständen. Ebenso ungiltig ist eine Ehe, die vor einem Geist-