Preußen und der norddeutsche Bund. 63
7. April. (Sachsen). Die II. Kammer genehmigt die Aufhebung der
Todesstrafe mit 42 gegen 23 Stimmen.
8.4. (Preußen: Hannover). Der Staatsgerichtshof erklärt die (in
Folge der Bildung der welfischen Legion) angeklagten hannov. Offi-
ziere in contumatiam des Hochverraths für schuldig und verurtheilt
sie zu zehnjähriger Zuchthausstrafe.
18.4. (Nordd. Bund). Der Reichstag nimmt in der Schlußberathung
das Gesetz über Aufhebung der Ehebeschränkungen und den Lasker'-
schen Antrag bezüglich Redefreiheit an, verwirft dagegen neuer-
dings (mit 104 gegen 100 Stimmen) den Antrag Waldecks bez.
Diäten. Ebenso werden die Anträge von Wagner-Planck für baldige
Vorlage von Gesetzentwürfen über ein gemeinsames Strafrecht, einen
gemeinsamen Strafprozeß und die dadurch bedingten Vorschriften der
Gerichtsorganisation und von Aegidi, durch Verträge mit den Mächten
die Freiheit des Privateigenthums zur See in Kriegszeiten zu einem
völkerrechtlichen Grundsatz zu erheben, jener mit großer Mehrheit,
dieser einstimmig angenommen.
Präs. Delbrück erklärt bez. gemeinsames Strafrecht, daß die Tendenz
des Antrags der Auffassung des Bundespräsidiums entspreche, und daß dieses
nichts unterlassen werde, um die gewünschte gemeinsame Gesetzgebung recht
bald herbeizuführen.
18.4. (Sachsen). Die I. Kammer genehmigt das neue Wahlgesetz
(Verfassungsreform) nur mit Modificationen gegenüber den Beschlüssen
der II. Kammer bez. der Zusammensetzung der I. Kammer.
20.4. (Nordd. Bund). Bundesrath: Verhandlungen des Ausschusses
für Handel und Verkehr über die Anträge der südd. Staaten bez.
Abschluß von Verträgen über gegenseitige Freizügigkeit. Die Mehrheit
erklärt sich dafür, die Minderheit (Preußen) dagegen.
Es handelt sich nicht um einen Antrag, sondern um vier Anträge, indem
jede der vier südd. Regierungen ihren Antrag selbständig gestellt hat, diese
Anträge auch unter sich nicht durchaus übereinstimmen. Württemberg,
Baden und Hessen beantragen übereinstimmend, daß das Princip der
Freizügigkeit, welches im Gebiete des norddeutschen Bundes herrscht, auch auf
ihre resp. Staaten ausgedehnt werden soll mit voller und unbeschränkter
Gegenseitigkeit in Bezug auf die Angehörigen des norddeutschen Bundes und
diejenigen der süddeutschen Staaten, während Bayern diesen Standpunkt
noch nicht einnimmt, sondern zunächst Verhandlungen über das Princip und
den Modus der Ausführung beantragt hat. Darin aber stimmen die sämmt-
lichen vier Anträge wieder überein, daß das Betreffende durch einen Vertrag
zwischen dem norddeutschen Bunde und den süddeutschen Staaten festgestellt
werden soll. In dem letzteren Umstande liegt der Schwerpunkt der Sache.
Die Mehrheit des Ausschusses (Sachsen und Hamburg) beantragt, dem
Bundesrath zu empfehlen, „er wolle sich geneigt erklären, dem Abschlusse von
Verträgen mit den süddeutschen Staaten über gegenseitige Freizügigkeit dann
seine Zustimmung zu ertheilen, wenn bei den dieserhalb einzuleitenden Ver-
handlungen von Seiten der süddeutschen Regierungen befriedigende Vorschläge
zur Beseitigung der Schwierigkeiten gemacht würden, welche sich aus einem
solchen Vertragsverhältnisse für die nothwendige Fortbildung der Gesetzgebung
auf diesem Gebiete ergeben.“ Eine Minderheit (Preußen) spricht sich