Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunter Jahrgang. 1868. (9)

Preußen und der norddeutsche Bund. 91 
1) „Die General-Versammlung erklärt, daß die kath. Eltern das Recht der 
Entscheidung über die Erziehung ihrer Kinder haben und die Gewissens- 
pflicht, sie in der kath. Religion erziehen zu lassen; die General-Versammlung 
wahrt die Rechte der Katholiken auf ihre bestehenden Schulen und Schul- 
stiftungen und fordert das Recht der Gründungsfreiheit solcher Schulen. 
Erlangt der schlechte Grundsatz der Trennung der Schule von der Kirche 
gesetzliche Geltung, so fordert sie volle Unterrichtsfreiheit und das Recht, kath. 
Erziehung und Unterricht zu wahren.“ 2) „Unterstützung des hl. Vaters und 
Aufrechterhaltung seiner weltlichen Herrschaft muß allen Katholiken als 
erste und heiligste Pflicht erscheinen. Dieser Pflicht in beharrlicher und um- 
fassender Weise nachzukommen, ist Aufgabe der St. Michaels-Bruderschaft 
und des St. Petervereins. Die General-Versammlung fordert alle Katholiken 
dringend auf, diesen Vereinen beizutreten.“ 3) „Die schweren Rechtsver- 
letzungen, welche die Kirche in Deutschösterreich erleidet, erfüllt die General- 
Versammlung mit Schmerz und Entrüstung. Je mehr die katholische Kirche 
des Rechtschutzes beraubt wird, den ihr die weltliche Macht schuldet, desto 
einmüthiger muß sich das katholische Volk um seine Oberhirten schaaren, um 
die Gewaltthätigkeiten der religionsfeindlichen Parteien zurückzuweisen. Die 
Entschiedenheit, mit welcher der österreichische Episcopat die Vertheidigung der 
Kirche übernommen hat, wird von der General-Versammlung mit ehrfurchts- 
voller Freude begrüßt. Von dem leuchtenden Beispiel altbewährter, glaubens- 
treuer Provinzen hingerissen, werden sicherlich alle Länder Oesterreichs ein- 
müthig zur Vertheidigung des Glaubens sich erheben.“ 4) „Die Mißhand- 
lungen, welche an den Katholiken Badens seit Jahren verübt werden, dauern 
trotz der einmüthigen Kundgebungen des badischen Volkes fort. Die General- 
Versammlung lenkt die Aufmerksamkeit des katholischen Deutschlands wieder- 
holt auf diese Zustände hin, welche eine Schmach für den deutschen Namen 
sind und ein Aergerniß für alle ehrenhafte Männer. Indem sie mit Ehr- 
erbietung das Andenken des greisen Bekenners Hermann von Vicari feiert, 
spricht sie den heldenmüthigen Priestern und Laien, die als Vorkämpfer der 
Gewissensfreiheit und des kirchlichen Lebens in Baden sich so hohe Verdienste 
erworben, die Gefühle der Hochachtung und Verehrung aus.“ 5) „Die ge- 
marterte Kirche in Polen appellirt vergeblich durch den Mund des heil. 
Vaters an das Gewissen der europäischen Mächte. Das deutsche Volk, welches 
der polnischen Nation so Großes verdankt, muß am allermeisten das schwere 
an dieser Nation vollbrachte Unglück beklagen und kann unmöglich den uner- 
hörten Greueln zuschauen, welche daselbst verübt werden. Die General- 
Versammlung fordert insbesondere alle öffentlichen Blätter auf, der Leiden 
Polens zu gedenken und die Regierungen an ihre Pflicht- zu mahnen.“ 
6) „Der Organisation der kath. Vereine Deutschlands, welche im verflossenen 
Jahre so erfreuliche Fortschritte gemacht, muß fortwährend ungetheilte Auf- 
merksamkeit zugewendet werden. In allen Bezirken und Orten sind Vereine 
zur Wahrung katholischer Interessen zu gründen. Angesichts der ernsten 
Zukunft erwartet die General-Versammlung zuversichtlich, daß alle katholischen 
Männer mit Opferwilligkeit und Hingebung für die Sache der Kirche sich 
erheben.“ 
— Aug. (Nordd. Bund). Preußen entschließt sich zu einer sehr ein- 
greifenden Maßregel behufs Entlastung des Militärbudgets für 1868: 
zu den bereits eingetretenen Beurlaubungen tritt eine sehr bedeutende 
Hinausschiebung der Einberufung der Rekruten. 
Die erst für den 2. Jannar künftigen Jahres verfügte Einstellung der 
Rekruten bei der gesammten preußisch-norddeutschen Linien-Infanterie ist einer 
vollen viermonatlichen Beurlaubung von für die preußische Armee allein 
36,575 Mann und, die norddeutschen Contingentstruppen einbegriffen, von 
44,023 Mann gleich zu erachten. Dazu treten aber noch die schon Anfang