Preußen und der norddeutsche Bund. 95
In Hamburg sagt der König beim Besuch der Börse zu dem Präsidenten
der Handelskammer: „Was Sie brauchen, das brauchen wir Alle, den Frie-
den; und daß dieser nicht gestört wird, habe ich die sicherste Hoffnung.
Meine in Kiel gesprochenen Worte sollten dieser Friedenszuversicht den kräf-
tigsten Ausdruck geben; unerklärlich bleibt es mir, wie eine entgegengesetzte
Auffassung nur einen Augenblick eintreten konnte.“
11. Sept. (Luxemburg). Das Organ der franz. Partei I'Avenir zeigt
an, daß es hinfort täglich erscheinen und nach wie vor gegen preu-
ßische Uebergriffe und für Zolleinigung mit Frankreich, eventuell aber
für Einverleibung des Ländchens in Frankreich kämpfen werde.
14.9. (Preußen: Nassau). Landesversammlung in Limburg. Die
Liberalen werden von den auf Geheiß des Bischofs massenhaft er-
schienenen kath. Bauern bez. der Schulfrage überstimmt, worauf der
Ausschuß die übrigen Tractanden zurückzieht und zu einer neuen
Landesversammlung nach Wiesbaden einladet.
14.9. Das deutsche Nordpolexpeditionsschiff Germania erreicht 81° 5“,
die höchste nördliche Breite, bis zu welcher noch ein Forschungsschiff
vorgedrungen ist (die höchste jemals erreichte Polhöhe erzielte schon
1827 Parry, jedoch nur mit Schlitten).
14.9. Dritter deutscher Handwerkertag in Hannover (gegen die Gewerbe-
freiheit und für möglichste Erhaltung des Zunftwesens in etwas ver-
besserter Gestalt).
16.9. (Sachsen). Das Polizeiamt von Leipzig löst den Leipziger
Zweigverein des „allgemeinen deutschen Arbeiter-Vereins“ (Fraction
unter dem Präs. v. Schweitzer) als Sitz und Vorort des Gesammt-
vereins und zugleich den gesammten Verein mit allen seinen Ver-
zweigungen auf.
Die Motivirung geht dahin, daß der Verein, obgleich er öffentliche An-
gelegenheiten in den Kreis seiner Besprechungen gezogen, dem Vereinsgesetz
zuwider Zweig-Vereine gebildet und mit anderen Vereinen sich in Verbindung
gesetzt habe, und die Polizei geht auf das Anerbieten Schweitzers, diese gesetz-
widrige Einrichtung für die Zukunft abzustellen, nicht ein. — Noch besteht
aber in Sachsen die andere Fraction, der Lassalle'sche „allg. deutsche Arbeiter-
verein“ mit dem Vorort Dresden und dem Präs. Fritz Mende.
16.9. (Coburg). Eine kirchliche Versammlung für die sämmtlichen
sachsen -ernestinischen Länder erklärt sich einstimmig für eine Pres-
byterial= und Synodalverfassung und für eine gemeinsame thürin-
gische Kirche.
18.9. Der provisorische Vorort des neuen „deutschen Arbeiterbundes“
(der am 6. Sept. in Nürnberg in der Minderheit gebliebenen Ver-
eine) erläßt ein Circular an die deutschen Arbeitervereine, um seine
Grundsätze nochmals darzulegen und zu weiteren Beitritten einzu-
laden:
„Es hat sich in Nürnberg um den Versuch gehandelt, an die Stelle der-
jenigen Bestrebungen, welche bisher die Grundlage des Verbandes gebildet
haben, andere und zwar solche zu setzen, gegen welche der bisherige Verband
im entschiedensten Gegensatz gestanden hat. Der Versuch war von einer