Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 105 
rückhaltlose Angehörige des Staates sind, in dessen Grenzen sie wohnen. Diese 
Ueberzeugung hat die Staatsregierung von der Provinz Posen nicht. Wir 
sind den Polen gegenüber niemals feindlich aufgetreten; wir wirken mit allen 
Kräften dahin, daß das ganze alte Preußen heut zu Tage deutsch werde, 
und mit noch viel größerer Kraft müssen mir dahin wirken, daß Posen erst 
prcußisch und dann deutsch werde; preußisch vor Allem aber müssen sie werden. 
Die Polen müssen von dem Gesichtspunkt zurückgehen, daß sie nur vorüber- 
gehend, etwa in Personalunion, Preußen angehören; sie müssen keine exzep- 
tionelle Stellung beanspruchen. So lange sie diesen Gedanken nicht aufgeben, 
können wir dem Großherzogthum Posen die Stellung nicht einräumen, welche 
die übrigen Provinzen genießen. Lasker meint, daß es nicht Sache des 
Hauses sei, da Sicherheit zu suchen, wo die Regierung keine Sicherheit ver- 
lange; andererseits könne man der Regierung nicht entgegentreten, wenn sie 
sage, daß sie der Provinz Posen die Kreisordnung nicht zuwenden könne. Die 
Regierung möge erklären, ob sie ihre ursprüngliche Vorlage in Betreff Posens 
noch aufrecht erhallen könne oder ob sie den Commissionsvorschlag für besser 
halte, ob sie endlich den Antrag Szumann, wenn er angenommen würde, als 
eine Ablehnung der Vorlage ansehen würde. Der Minister des Innern: 
Sie haben nicht das Recht, eine solche Erklärung von mir zu verlangen; ich 
trage aber kein Bedenken, zu erklären, daß die Vorlage von der Regierung 
nicht aufrecht erhalten werden könnte nach Allem, was sie in der Zwischenzeit 
erfahren. Die Regierung lehnt die Verantwortlichkeit von sich ab, dieses 
Gesetz auf die Provinz Posen anzuwenden, und würde, falls ein solcher Be- 
schluß vom Hause gefaßt würde, die ganze Vorlage nicht acceptiren. (Große 
Bewegung.) 
Während der Debatten war am 18. d. Abends eine Verständigung zwischen 
den Fractionen der Nationalliberalen, der Fortschrittspartei, der Altliberalen, 
der Freiconservativen und sogar einem Theile der Conservativen zu Stande 
gekommen, wonach man unter Zurückziehung der weiterhin gestellten Modi- 
sicationsanträge die Kreisordnung nach den Beschlüssen der Commission an- 
nehmen wolle, um die Verhandlungen abzukürzen und die Beschlüsse des 
Abg.-Hauses im Verhältnisse zum Herrenhause wesentlich zu erhöhen. Daher 
die große Mehrheit in der Schlußabstimmung. 
17. März. (Deutsches Reich.) Der Reichstag wird, obgleich der 
18. 
19. 
baycrische Landtag noch beisammen ist, auf den 8. April einberufen. 
„ (Preußen.) Große Conferenz der Altkatholiken in Bonn, an 
dem Delegirte aus Köln, Bonn, Koblenz, Düsseldorf, Crefeld, Königs- 
winter, Moyen, Boppard, Essen, Witten, Eurkirchen, Uerdingen, 
Wiesbaden, Hademar, Gießen, Kaiserslautern, Heidelberg, München 
und Breslau Theil nehmen, um, als Fortsetzung des vorjährigen 
Congresses in München, die Vorbereitungen für den dießjährigen 
Congreß der Allkatholiken in Köln im September zu treffen. 
„ (Luxemburg.) Der Präsident des Staatsraths, Jurion, geht 
nach Berlin, um mit der Reichsregierung Verhandlungen über die 
Luxemburger Eisenbahnen einzuleiten. Der Finanzminister Ulveling 
und der luxemb. Geschäftsträger in Berlin, Dr. Föhr, sind ihm zur 
Assistenz beigegen. 
„ (Württemberg.) II. Kammer: genehmigt die Gehaltsaufbesserung 
der Schullehrer einstimmig. 
„ (Preußen.) Herrenhaus: nimmt das Hypothckengesetz schließlich
	        
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