Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. 105
rückhaltlose Angehörige des Staates sind, in dessen Grenzen sie wohnen. Diese
Ueberzeugung hat die Staatsregierung von der Provinz Posen nicht. Wir
sind den Polen gegenüber niemals feindlich aufgetreten; wir wirken mit allen
Kräften dahin, daß das ganze alte Preußen heut zu Tage deutsch werde,
und mit noch viel größerer Kraft müssen mir dahin wirken, daß Posen erst
prcußisch und dann deutsch werde; preußisch vor Allem aber müssen sie werden.
Die Polen müssen von dem Gesichtspunkt zurückgehen, daß sie nur vorüber-
gehend, etwa in Personalunion, Preußen angehören; sie müssen keine exzep-
tionelle Stellung beanspruchen. So lange sie diesen Gedanken nicht aufgeben,
können wir dem Großherzogthum Posen die Stellung nicht einräumen, welche
die übrigen Provinzen genießen. Lasker meint, daß es nicht Sache des
Hauses sei, da Sicherheit zu suchen, wo die Regierung keine Sicherheit ver-
lange; andererseits könne man der Regierung nicht entgegentreten, wenn sie
sage, daß sie der Provinz Posen die Kreisordnung nicht zuwenden könne. Die
Regierung möge erklären, ob sie ihre ursprüngliche Vorlage in Betreff Posens
noch aufrecht erhallen könne oder ob sie den Commissionsvorschlag für besser
halte, ob sie endlich den Antrag Szumann, wenn er angenommen würde, als
eine Ablehnung der Vorlage ansehen würde. Der Minister des Innern:
Sie haben nicht das Recht, eine solche Erklärung von mir zu verlangen; ich
trage aber kein Bedenken, zu erklären, daß die Vorlage von der Regierung
nicht aufrecht erhalten werden könnte nach Allem, was sie in der Zwischenzeit
erfahren. Die Regierung lehnt die Verantwortlichkeit von sich ab, dieses
Gesetz auf die Provinz Posen anzuwenden, und würde, falls ein solcher Be-
schluß vom Hause gefaßt würde, die ganze Vorlage nicht acceptiren. (Große
Bewegung.)
Während der Debatten war am 18. d. Abends eine Verständigung zwischen
den Fractionen der Nationalliberalen, der Fortschrittspartei, der Altliberalen,
der Freiconservativen und sogar einem Theile der Conservativen zu Stande
gekommen, wonach man unter Zurückziehung der weiterhin gestellten Modi-
sicationsanträge die Kreisordnung nach den Beschlüssen der Commission an-
nehmen wolle, um die Verhandlungen abzukürzen und die Beschlüsse des
Abg.-Hauses im Verhältnisse zum Herrenhause wesentlich zu erhöhen. Daher
die große Mehrheit in der Schlußabstimmung.
17. März. (Deutsches Reich.) Der Reichstag wird, obgleich der
18.
19.
baycrische Landtag noch beisammen ist, auf den 8. April einberufen.
„ (Preußen.) Große Conferenz der Altkatholiken in Bonn, an
dem Delegirte aus Köln, Bonn, Koblenz, Düsseldorf, Crefeld, Königs-
winter, Moyen, Boppard, Essen, Witten, Eurkirchen, Uerdingen,
Wiesbaden, Hademar, Gießen, Kaiserslautern, Heidelberg, München
und Breslau Theil nehmen, um, als Fortsetzung des vorjährigen
Congresses in München, die Vorbereitungen für den dießjährigen
Congreß der Allkatholiken in Köln im September zu treffen.
„ (Luxemburg.) Der Präsident des Staatsraths, Jurion, geht
nach Berlin, um mit der Reichsregierung Verhandlungen über die
Luxemburger Eisenbahnen einzuleiten. Der Finanzminister Ulveling
und der luxemb. Geschäftsträger in Berlin, Dr. Föhr, sind ihm zur
Assistenz beigegen.
„ (Württemberg.) II. Kammer: genehmigt die Gehaltsaufbesserung
der Schullehrer einstimmig.
„ (Preußen.) Herrenhaus: nimmt das Hypothckengesetz schließlich