Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreizehnter Jahrgang. 1872. (13)

Das deutische Reich und seine einzelnen Glieder. 127 
allen Dingen, daß man auf Seiten der römischen Curie möglichst gut unter- 
richtet sei über die Intentionen der deutschen Regierungen, und besser unter- 
richtet sei, als man es je war. Ich halte für eine der hervorragendsten Ur- 
sachen des Unfriedens die unrichtige, durch eigene Auslegung oder aus schlim- 
meren Gründen getrübte Darstellung über die Intenlionen der deutschen Ne- 
gierungen, wie sie zu Sr. Heiligkeit dem Papste gelangten. Ich habe geglaubt, 
daß die Wahl eines Botschafter5, der von beiden Seiten volles Vertrauen 
hätte, einmal in Bezug auf seine Wahrheitsliebe und Glaubwürdigkeit, dann 
in Bezug auf seine Persönlichkeit in seinen Gesinnungen und Handlungen, 
daß die Wahl eines solchen Botschafters in Rom willkommen sein würde, daß 
sie als ein Pfand unserer friedfertigen Gefinnungen aufgefaßt, als Brücke der 
gegenseitigen Verständigung benutzt werden würde; ich hatte gehofft, daß die 
iormen immer diejenigen bleiben würden, in welchen ein Kirchenfürst mit 
dem anderen verkehrt, und daß also unnöthige Reibungen verhütet würden. 
Man hat an diese Ernennung Befürchtungen auf evangelischer und liberaler 
Seite geknüpft, die in einer unrichtigen Würdigung der Stellung eines Ge- 
sandlen oder Botschafters Üüberhaupt ihren Grund haben. Ein Gesandter ist 
wesentlich doch nur das Gefäß, das, durch die Instruction seines Souverains 
gefüllt, erst seinen vollen Werth bekommt; daß aber das Gefäß willkommen 
sei, daß es dem Krystall gleiche, der zwar Gift und Galle in sich aufnehmen 
kann, dies aber sogleich anzeigt, wäre allerdings wünschenswerth. Leider ist 
aus Gründen, die noch nicht dargelegt worden sind, die Intention der kaiser- 
lichen Regierung durch ein kurzes Ablehnen von Seiten der Curie verhindert 
worden, ohne zur Ausführung zu gelangen. Ich kann wohl sagen, daß ein 
solcher Fall nicht häufig vorkommt. Es ist üblich, daß, wenn ein Souverän 
seine Wahl getroffen hat, er aus Courtoisie an den fremden Souverain die 
Frage richtet, ob dies ihm eine persona grata sei. Es ist indeß außerordent- 
lich selten der Fall, daß diese Frage verneint wird, weil es doch immer ein 
Rückgängigmachen einer einmal geschehenen Ernennung zur Folge hat. Ich 
bin seit 21 Jahren in den Geschäften der höheren Diplomatie, allein ich glaube 
mich nicht zu täuschen, daß dies der einzige Fall ist (hört! hört!), daß eine 
solche Frage verneinend beantwortet worden ist. Ich habe oft schon erlebt, 
daß Bedenken ausgesprochen worden sind gegen Gesandte, die bereits längere 
Zeit an einem Hofe accreditirt waren; doch geschah dies stets nur in Form 
eines vertraulichen Wunsches, daß ein Wechsel in der Person folgen möge, 
und dann hat man sicher die Ueberzeugung, daß diese Persönlichkeit zur Siche- 
rung der von beiden Höfen gewünschten guten Beziehungen nicht mehr geeignet 
sei. Und immer äußerte man sich, wie schon gesagt, in der vertraulichsten 
Form, gewöhnlich durch ein eigenhändiges Schreiben von dem Souverain, 
verbunden mit den eingehendsten Erläuterungen und in sehr vorsichtifer Weise. 
Es ist in neuerer Zeit vorgekommen, daß die Abberufung eines Gesandten 
gefordert worden ist, aber die Versagung eines erst zu ernennenden ist mir nicht 
erinnerlich. Und mein Bedauern über diese Ablehnung ist ein außerordentlich 
lebhaftes, ich bin aber nicht gewillt, dieses Bedauern in die Falte einer Empfind- 
lichkeit zu Übersetzen, denn die Regierung schuldet unseren kath. Mitbürgern, daß 
sie nicht müde werde, die Wege aufzusuchen, auf denen die Regelung, deren die 
Zerwürfnisse zwischen der geistlichen und weltlichen Macht im Interesse des 
inneren Friedens absolut bedürfen, in der schonendsten Weise gefunden werden 
können. Ich werde deßhalb mich durch das Geschehene nicht entmuthigen 
lassen, sondern fortfahren, bei Sr. Majestät dem Kaiser dahin zu wirken, daß 
ein Vertreter des Reiches für Rom gefunden werde, welcher sich des Vertrauens 
beider Mächte, wenn nicht in gleichem, so doch in hinlänglichem Maße für 
seine Geschäfte erfreut. Daß diese Aufgabe wesentlich erschwert ist, kann ich 
allerdings nicht verkennen. (Bravol) Windthorst (Meppen): Ich finde 
ees ungewöhnlich, solche Sachen hier zu verhandeln, ohne daß uns die da- 
rauf bezüglichen Aktenstücke mitgetheilt find. Wir sind ausschließlich auf die
	        
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