Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dritter Jahrgang. 1887. (28)

2 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Anf. Januar.) 
Sie umgebenden Generalen aus warmem, tief bewegtem Herzen gedankt, 
empfinde aber das Bedürfnis, Meinen Dank auch an die ganze Armee weiter 
gehen zu lassen und am heutigen Tage auch an diese einige Worte zu rich- 
ten. Die Armee weiß, wie nahe sie Meinem Herzen immer gestanden hat, 
sie wird verstehen, welche Empfindungen Mich heute in dem Gedanken be- 
wegen, ihr nun 80 volle Jahre angehört zu haben. Es ist eine lange, wahr- 
lich wechselvolle und ereignisreiche Zeit, die heute an Meiner Erinnerung 
vorbeigeht. Beginnend in ernsten Tagen schwerster Prüfung, habe Ich wohl. 
auch in ihrem weiteren Verlauf mancher Sorge, manches Tages, wo Mir 
das Herz schwer war, zu gedenken, aber es sind deren doch nur sehr wenige 
gewesen im Vergleich zu den vielen des Glücks und der Freude, die Mir zu 
erleben vergönnt war. Mein Blick kann sich nicht in die Vergangenheit 
richten, ohne Mein tief bewegtes Herz von Dank für die Gnade des allmäch- 
tigen Gottes überströmen zu lassen, die wahrlich Großes an Mir gethan, 
die Mich so lange erhalten, die Mir so viel des Glückes gegeben hat! Und 
welchen Wechsel hat die Armee in diesen 80 Jahren mit Mir erlebt! Sie 
stand, als Ich in dieselbe trat, nach dem schwersten Schlage, der Preußen 
jemals getroffen, zurückgedrängt an den äußersten Grenzen des Reiches, aber 
der Soldatensinn, den Meine glorreichen Vorfahren in sie gepflanzt, blieb 
ungebrochen und trieb bald neue Keime. Das bethätigten, die schönste Er- 
innerung Meiner Jugend, die Befreiungskriege, das erhielt sie sich in der 
treuen Arbeit einer langen Friedenszeit, und die Ruhmesthaten der Armee 
in neuester Zeit bezeugen wahrlich, daß dieser Sinn in voller Kraft erhalten 
und weiter gediehen ist. Ich habe viele Veränderungen mit der Armee er- 
lebt, in ihrer äußeren Form, in ihrer Truppenzahl. Ich habe die Ver- 
einigung mit den deutschen Kontingenten sich vollziehen und die Marine ent- 
stehen sehen, es sind unter Meinen Augen Generationen durch die Armee 
gegangen, aber innerlich im Herzen und Empfinden der Armee gibt es keine 
Veränderung. Den Sinn für Ehre und für Pflicht über alles hochzuhalten 
und jederzeit bereit zu sein, das Leben dafür zu lassen — das ist das Band, 
welches alle deutschen Stämme eng umschließt, welches Enkel und Urenkel 
jetzt ebenso fest wie früher die Vorfahren vereinigt und welches Meine Re- 
gierung mit Siegen geschmückt hat, deren Ich heute als der hellstrahlendsten 
Stellen Meines militärischen Lebens in hochgehobenster Empfindung gedenke. 
Es ist wahrlich eine hohe Freude für Mich, an dem heutigen Tage in sol- 
cher Weise zur Armee sprechen zu dürfen und über diese 80 Jahre sagen zu 
können, daß wir sicherlich, voll und ganz, fest zu einander gehört haben, Ich 
mit Meinem ganzen Herzen und Denken, die Armee mit vollster Treue, und 
Meine Anerkennung die lebendigste Empfindung Meines Herzens bis zu 
Meinem letzten Atemzuge bleiben wird. Ew. kaiserliche und königliche 
Hoheit wollen diese Meine Worte durch die hieher berufenen Generale 
zur Kenntnis der Armee bringen lassen. Berlin, den 1. Januar 1887. 
Wilhelm.“ 
Januar. (Evangelische Kirche.) Eine Anzahl evangel. 
Männer aus den verschiedenen Landeskirchen und Parteigruppen, 
welche im Oktober 1886 zu Erfurt zur Beratung über die Grün- 
dung eines „Evangelischen Bundes zur Wahrung der deutsch-pro- 
testantischen Interessen“ zusammengetreten war, erläßt einen Aufruf 
an alle Glaubensgenossen in Deutschland. Der grundlegende Teil 
desselben lautet: 
An unsere Glaubensgenossen in ganz Deutschland! Die deutsche
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.