Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.—14.) 7
des Kaisers ist, und Gott, was Gott ist!“ die Treue zum Kaiser
und den Gehorsam gegen die Staatsgesetze den Katholiken ans
Herz legt.
11. - 14. Januar. (Militärvorlage; Auflösung des
Reichstages.) Der Beratung des neuen Heergesetzes im Plenum
des Reichstages wird im ganzen Reiche, wie im Auslande, mit un-
gewöhnlicher Spannung entgegengesehen. Für die Annahme des
Gesetzes sind beim Reichstage 1052 Petitionen mit 142,334 Unter-
schriften — allein 688 mit 52,000 Unterschriften aus Württemberg
— dagegen nur 9 Resolutionen, doch ohne Unterschriften, einge-
gangen. An Petitionen aus theologischen (nur evangelischen) Kreisen
gegen die Befreiung vom Heeresdienste sind 87 mit 739 Unterschrif-
ten und 1167 Unterschriften telegraphisch eingelaufen. Das Haus
ist an allen Sitzungstagen fast vollzählig, der Zudrang des Publi-
kums ungeheuer — selbst vor dem Gebäude harren die aus Raum-
mangel Zurückgewiesenen stundenlang aus. Als der Reichskanzler
am letzten Tage nach der Auflösung den Reichstag verläßt, wird er
mit brausendem Hurra und Hüteschwenken von der Menge begrüßt.
Die deutsch-freisinnigen Anträge lauten:
I. Freiherr v. Stauffenberg: Der Reichstag wolle beschließen: § 1
wie folgt zu fassen: Zur Ausführung der Artikel 57, 59 und 60 der Reichs-
verfassung wird die Friedenspräsenzstärke des Heeres an Mannschaften für
die Zeit vom 1. April 1887 bis 31. März 1890 auf 441,200 Mann fest-
gestellt. Für die Zeit vom 1. April 1887 bis zum 31. März 1888 kann
eine Erhöhung der Präsenzstärke bis auf 454,402 Mann eintreten. Die
Einjährig-Freiwilligen kommen auf die Präsenzstärke nicht in Anrechnung.
Die ordentliche Rekruteneinstellung bei der Infanterie erfolgt im Januar,
sofern nicht bei der Etatsfestsetzung ein früherer Einstellungstermin verein-
bart wird. II. Für den Fall der Ablehnung des Antrages sub I: in § 1
der Regierungsvorlage a. statt „31. März 1894" zu setzen: „31. März
1890“; b. in Zeile 4 vor dem Worte „auf“ zu setzen: „bis“. III. Richter:
Der Reichstag wolle beschließen: für den Fall der Ablehnung des Antrages
sub I. in § 1 der Regierungsvorlage eventuell folgenden Zusatz anzunehmen:
Die ordentliche Rekruteneinstellung bei der Infanterie erfolgt im Januar,
sofern nicht bei der Etatsfeststellung ein früherer Termin vereinbart wird.
IV. Resolution Rickert: Den Bundesrat zu ersuchen, dem Reichstage eine
Vorlage zu machen, durch welche zur Deckung der durch das Gesetz, betreffend
die erhöhte Friedenspräsenzstärke des Heeres erwachsenden Mehrkosten eine
Reichseinkommensteuer nach folgenden Grundsätzen eingeführt wird: 1) Die
Reichseinkommensteuer wird erhoben vom reinen Einkommen aus Kapital-
vermögen, Grundeigentum, Gewerbebetrieb, öffentlicher oder privater gewinn-
bringender Beschäftigung, Renten oder sonstigen stehenden Bezügen. 2) Der
Reichseinkommensteuer sind alle Einkommen von mehr als 6000 M. unter-
worfen. Dieselbe beträgt einen bestimmten, von ½ Proz. ab aufsteigenden
Prozentsatz desselben. 3) Die Zahl der zu erhebenden Monatsraten der
Reichseinkommensteuer wird jährlich durch das Reichshaushaltsgesetz fest-
gestellt."