12 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.—14.)
teidigen haben würden; — womit ich übrigens nicht auf das Septennat an-
spielen will. Ich meine nur die Analogie zwischen den beiden ersten schle-
sischen Kriegen und dem großen Kampfe, in dem König Friedrich II. seine
Errungenschaften gegen große Koalitionen zu verteidigen hatte, ist historisch
nicht ganz zu verwerfen; für den Augenblick aber liegt sie nicht vor, — es
müßten große Veränderungen in den Konstellationen eintreten, ehe dergleichen
zu befürchten wäre. Wir werden Händel mit Rußland nicht haben, wenn
wir nicht bis nach Bulgarien gehen, um sie dort aufzusuchen. (Heiterkeit.)
Es ist merkwürdig, daß die Presse derselben Partei, die jetzt der Ver-
stärkung unserer Armee widerspricht, vor wenigen Monaten alles mögliche
gethan hat, um uns in einen Krieg mit Rußland zu verwickeln. Diese
Übereinstimmung ist in der That eine auffällige. Ich habe vorher gesagt,
daß ich auf die Frage, über die dort gemurrt worden ist, vielleicht zurück-
kommen würde; ich will es nur mit dieser Andeutung: es ist das auffällig.
Damals bin ich ganz erstaunt gewesen, zu lesen, mit welchen leidenschaft-
lichen Argumenten seitens der oppositionellen Presse auf einen Bruch mit
Rußland hingearbeitet wurde; — ich habe ein ganzes Konvolut von Zei-
tungsausschnitten aus der Zeit aus dem „Berliner Tageblatt", aus der
„Freisinnigen Zeitung“, aus der „Volkszeitung“, aus der „Germania“ vor
allen; eines überbietet immer das andere an Beschimpfungen der Regierung,
weil sie nicht für Bulgarien und seinen damaligen Fürsten Rußland gegen-
über den Handschuh aufnehmen wollte. Das erste aus dem Berliner Tage-
blatt fängt gleich damit an: „Wenn die Grundlagen des europäischen Frie-
dens derartig erschüttert sind, daß derselbe nur durch ein Mittel erhalten
werden kann, welches die Moral in den Völkern untergräbt, dann ist doch
eine Frage berechtigt, ob nicht ein gesunder Krieg einem so krankhaften Frie-
den vorzuziehen sei.“ So waren die Herren damals gestimmt. — Die „Ger-
mania“ predigt nicht so geradezu den Krieg, aber sie ist ihrer Natur nach
viel schärfer und bitterer in den Beschimpfungen der Regierung über ihre
Feigheit. Nun, meine Herren, als ich das gelesen habe, ich muß sagen, hat
es mir zunächst den Eindruck von Heiterkeit gemacht; ich habe diese ganze
Preßhetzerei lächerlich gefunden, die Zumutung, daß wir nach Bulgarien
laufen sollten, um „hinten weit in der Türkei“, wie man früher zu sagen
pflegte, die Händel zu suchen, die wir hier nicht finden können. Ich hätte
geradezu verdient, wegen Landesverrats vor Gericht gestellt zu werden, wenn
ich auch nur einen Augenblick auf den Gedanken hätte kommen können, mich
auf diese Dummheit einzulassen, und es hat mich damals auch wenig ver-
drossen; wir waren ja die Herren, zu thun und zu lassen, was wir wollten.
Es hat mich nur tief betrübt, einen solchen Aufwand von Pathos in der
deutschen Presse zu finden, um uns womöglich mit Rußland in Krieg zu
verwickeln. Als ich diese Deklamationen zuerst las — sie sind zum Teil
weinerlich, zum Teil pathetisch —., so fiel mir unwillkürlich die Szene aus
„Hamlet“ ein, wo der Schauspieler deklamiert und Thränen vergießt über
das Schicksal von Hekuba — wirkliche Thränen —, und Hamlet sagt —
ich weiß nicht, wendet er den Ausdruck an, der durch Herrn Virchow das
parlamentarische Bürgerrecht gewonnen hat, den Ausdruck von „Schuft“ —:
„Was bin ich für ein Schuft?“ oder benutzt er ein anderes Beiwort? —
kurz und gut, er sagt: „Was ist ihm Hekuba?" — Das fiel mir damals
sofort ein. Was sollen diese Deklamationen heißen:? Was ist uns denn
Bulgarien? Es ist uns vollständig gleichgiltig, wer in Bulgarien regiert,
und was aus Bulgarien überhaupt wird, — das wiederhole ich hier; ich
wiederhole alles, was ich früher mit dem viel gemißbrauchten und totgerit-
tenen Ausdruck von den Knochen des pommer'schen Grenadiers gesagt habe:
die ganze orientalische Frage ist für uns keine Kriegsfrage. Wir werden