Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.—14.) 15
nicht genötigt werden sollte, nach Bordeaux zurückzugehen, um vielleicht den
Frieden wieder rückgängig zu machen. Ich habe mich darauf mit unseren
militärischen Autoritäten und namentlich mit meinem vor mir sitzenden Freunde
besprochen: können wir darauf eingehen, eins von beiden zu missen? — und
habe darauf die Antwort erhalten: Belfort jal Metz ist 100,000 Mann
wert; die Frage ist die, ob wir 100,000 Mann schwächer sein wollen gegen
die Franzosen, wenn der Krieg wieder ausbricht. Darauf habe ich gesagt:
Nehmen wir Metz! Sie stehen jetzt, meine Herren, vor derselben Frage, ob
Sie, wenn der Krieg mit Frankreich vielleicht in 7 Jahren wieder ausbricht
100,000 Mann schwächer sein wollen oder nicht. Mit anderen Worten: es
ist ganz von derselben schweren Bedeutung für unsere zukünftige Sicherheit,
ob Sie Metz aufgeben wollen, als ob Sie uns 100,000 Mann verweigern,
die durch die jährliche Ausbildung von 16,000 Mann Soldaten geschaffen
werden sollen bis dahin, wo der Krieg möglicherweise ausbricht. Also wenn
Sie vorziehen, daß wir den Franzosen sagen: seid doch gut, wir geben euch
Metz, wenn ihr ferner stille sitzen wollt, — so ist das ungefähr dasselbe,
als wenn Sie uns jetzt die Verstärkung der Armee, die wir nach unserem
militärischen Urteil zu gebrauchen glauben, versagen. (Bewegung.) Also
ich wiederhole: wir werden Frankreich nicht angreifen, unter keinen Um-
ständen. Es gibt viele Franzosen, die darauf warten, weil sie lieber einen
Verteidigungskrieg als einen Angriffskrieg führen wollen, weil es viele gibt,
bei denen der französische Angriff auf Deutschland nicht populär ist. Sie
werden, wer von Ihnen die franzö Geschichte kennt, mir Recht geben,
daß die Entschließungen Frankreichs in schweren Momenten immer durch
energische Minoritäten und nicht durch die Majoritäten und das ganze Volk
bewirkt worden sind. Diejenigen, die den Krieg mit uns wollen, die suchen
einstweilen nur die Möglichkeit, ihn mit möglichster Kraft zu beginnen. Ihre
Aufgabe ist, le feu sacré de la revanche zu unterhalten. Die Aufgabe,
die Gambetta dahin definierte: ne parlez jamais de la guerre, mais pen-
sez- toujours! — und das ist auch heute noch die Signatur der französi-
schen Situation. Man spricht nicht davon, man spricht nur von der Be-
fürchtung, von Deutschland angegriffen zu werden. Diese Befürchtung ist
unwahr, und wer sie in Frankreich ausspricht, weiß, daß er die Unwahr-
heit sagt. Wir werden Frankreich nicht angreifen. Nichts desto weniger
wird damit dem friedliebenden Franzosen Jacques Bonhomme, der lieber
seinen Acker baut, als in den Krieg zieht, vorgeredet, daß der ruchlose Deutsche
es ist, der ihm womöglich — ich weiß nicht was abnehmen wollte. Die
Franzosen haben ja gar nichts, was für uns irgendwie begehrenswert wäre.
Das fortwährende Unterhalten und Schüren dieses feu sacré ist mir im
höchsten Grade bedenklich. Ich habe das feste Vertrauen zu den friedlichen
Gesinnungen der gegenwärtigen französischen Regierung. Die Herren Goblet
und Flourens sind nicht die Leute, die den Krieg mit uns wünschen; sie
haben die Absicht, ehrlich mit uns zu leben. Ebenso war es mit der früheren
Regierung Freycinet oder Ferry; alle diese Herren waren friedlich, so lange
sie am Ruder waren. Und wenn Sie mir deren Regiment auf längere Zeit
verbürgen könnten, so würde ich sagen: sparen wir unser Geld, aber sparen
wir es nicht für den Fall, daß wir vielleicht feindliche Kontributionen zu
zahlen haben. Wie die Sachen liegen, kann mich dieses Vertrauen auf die
friedliche Gesinnungen der französischen Regierung, auf die friedlichen Ge-
sinnungen eines großen Teils der französischen Bevölkerung aber nicht bis
zu dem Grade von Sicherheit einwiegen, daß ich sagen könnte: wir haben
einen französischen Krieg gar nicht mehr zu fürchten. Nach meiner Über-
zeugung haben wir ihn zu fürchten durch den Angriff Frankreichs; ob in
zehn Tagen oder in zehn Jahren, das ist eine Frage, die ich nicht entscheiden